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Eingliederungsvereinbarung Hartz IV

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Eingliederungsvereinbarung Hartz IV  Empty Eingliederungsvereinbarung Hartz IV

Beitrag von Admin Mo Jul 01, 2013 4:03 am

Eingliederungsvereinbarung Hartz IV - EinV § 15 SGB II


Seit einiger Zeit wenden die Jobcenter bei den Beziehern von Hartz IV ein neues Allheilmittel an – die sogenannte Eingliederungsvereinbarung (EinV). Stellte diese Vereinbarung Anfangs nur einen zivilrechtlichen Vertrag zwischen dem Amt und dem Bezieher dar, wurde die EinV mittlerweile in das Gesetzeswerk aufgenommen und ist Gegenstand des § 15 SGB II.

Was aber soll mit diesem Allzweckmittel erreicht werden?

Die Idee ist eine Abmachung zwischen Leistungsbezieher und dem Amt, in dem beide Seiten vereinbaren, welche Ziele man gemeinsam anstrebt, um der Langzeitarbeitslosigkeit zu entkommen, welche Initiative dafür der Bedürftige und welche das Amt übernimmt. Das hört sich insgesamt eigentlich gut an und kann, sinnvoll angewandt, durchaus tatsächlich dazu führen, die Arbeitslosigkeit in absehbarer Zeit zu beenden.

Die Praxis sieht leider anders aus: meist ist in den EinV nur von den Pflichten des Leistungsempfängers etwas zu lesen, nicht aber von denen des Amtes. Oftmals werden die „vereinbarten“ Pflichten dann auch übermäßig erhöht. So ist es beileibe keine Seltenheit, dass in den EinVs 30 und mehr Bewerbungen vom Leistungsbezieher nachweislich verlangt werden – je Monat. Sehr oft wird der Gegenseite keine Gelegenheit dazu gegeben, die EinV in Ruhe durchzulesen, vielmehr wird sanfter Druck ausgeübt, damit die EinV sofort unterschrieben wird.

All das hat die EinV mittlerweile in Verruf gebracht, obwohl sie – sinnvoll angewandt – durchaus eine echte Hilfe sein kann.

Anders als ein Verwaltungsakt ist die EinV zuerst eine freiwillige Abmachung zwischen Jobcenter und Bedürftigem. Das bedeutet, dass es nicht Sinn und Zweck einer EinV ist, nur Pflichten des Leistungsbeziehers dort hineinzuschreiben (die er im Rahmen seiner sogenannten Mitwirkungspflicht sowieso hat). Vielmehr sollte hier ein gemeinsames Ziel definiert und die Schritte dorthin festgelegt werden. Insofern empfiehlt es sich für Betroffene, sich vor einem Gespräch mit dem Jobcenter über die EinV zu überlegen, welche (sinnvollen) Aktivitäten man mit der EinV angehen will, um der Arbeitslosigkeit zu entkommen und wie einem das Jobcenter dabei helfen kann. Wichtig dabei: es können vom Jobcenter für den EinV nur solche Entscheidungen gefordert werden, die eine reine Ermessensfrage sind, auf die man also keinen Rechtsanspruch hat.

Denkbar wäre zum Beispiel die Verpflichtung des Jobcenters, einen ausländischen Leistungsbezieher einen Integrationskursus zu ermöglichen oder einem Leistungsbezieher, der sich in absehbarer Zeit selbstständig machen will und dessen Geschäftsidee auf einem soliden Master-Plan fußt, den Führerschein zu finanzieren. Denkbar sind auch Umschulungen, Lehrgänge und vieles mehr.

Aber Achtung: die dem Jobcenter vorgeschlagenen Maßnahmen müssen einen sinnvollen Charakter haben, an die individuelle Lage angepasst sein und auch realistisch sein.

Jedoch sollte man nicht nur Forderungen stellen, sondern auch genau aufpassen, was das Jobcenter in der EinV von einem selbst fordert. Beliebt sind – wie schon angedeutet – Verpflichtungen, dass man sich eigenständig zu bewerben habe – gerne wird hier eine Anzahl der vorgeschriebenen Bewerbungen eingesetzt, die durchaus gerne mal jenseits der 20 Bewerbungen je Monat liegt.

Abgesehen davon, dass dann auch geklärt sein muss, dass das Jobcenter die Bewerbungskosten tragen muss, ist es fraglich, ob eine starre Zahl von blinden Bewerbungen zumutbar ist. So jedenfalls das Sozialgericht Berlin (S 37 AS 11713/05). Das Sozialgericht Stuttgart wiederum (S 18 AS 3697/08 ER) hat entschieden, dass maximal 10 Blindbewerbungen je Monat statthaft sind.

Prinzipiell kann das Jobcenter nicht die sofortige Unterzeichnung der EinV verlangen, auch wenn oftmals gerade das versucht wird. Wie bei jedem normalen Vertrag haben Sie durchaus auch hier das Recht, sich die Inhalte der EinV in Ruhe anzuschauen und zu überlegen. Soll bedeuten, Sie können sich ein Exemplar des nicht unterschriebenen EinVs durchaus mit nach Hause nehmen und dann später unterschrieben wieder an das Jobcenter weiterleiten.
Was aber, wenn Sie sich entscheiden, die EinV nicht zu unterschreiben?

Eigentlich ist davon abzuraten, seine Unterschrift prinzipiell zu verweigern, denn damit verbaut man sich vorerst die Chance, eigene Ideen wie oben beschrieben in das Vertragswerk einbauen zu lassen. Wenn nämlich ein Langzeitarbeitsloser ohne wichtigen Grund seine Unterschrift verweigert, erlässt das Jobcenter dann einen entsprechenden Verwaltungsakt mit der Folge, dass eigene Forderungen zumeist dort nicht enthalten sind. Während die EinV ein öffentlich-rechtlicher Vertrag ist, ist der Verwaltungsbescheid im Prinzip eine Art von Erlass, dem ich erstmal Folge zu leisten habe Naturgemäß ist in einem Erlass jedoch kaum Raum für individuelle Gestaltungsmöglichkeiten, wie wir sie weiter oben beschrieben haben.

Hat man seine Unterschrift unter die EinV verweigert und sich damit einen entsprechenden Verwaltungsakt „eingehandelt“, kann dieser wieder aufgehoben werden, wenn sich der Leistungsbezieher doch noch entscheidet, die EinV zu unterschreiben.


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