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Agenda 2010 als Vorbild

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Beitrag von Admin Mo Jul 01, 2013 4:43 am

Agenda 2010 als Vorbild Merkel10

Agenda 2010 als VorbildMerkels Nachhilfe für Schuldenstaaten


Die Veranstaltung kommt in einem freundlichen Gewand daher: Um 13 Uhr werden an diesem Mittwoch die 28 EU-Arbeitsminister zum Fototermin lächelnd durch das Brandenburger Tor schreiten. "Konferenz zur Förderung der Jugendbeschäftigung in Europa" heißt der Termin, zu dem sie und einige Regierungschefs in Berlin zusammenkommen. "Wir werden weiter daran arbeiten, wo die besten Möglichkeiten liegen, Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen", sagt Angela Merkel.

Was die Kanzlerin als offene Debatte darstellt, einen "Austausch von Best-Practice-Beispielen", ist für die angereisten Minister eine Nachhilfestunde in Sachen Arbeitsmarktpolitik. Der Lehrplan steht, doch die Bundesregierung will nicht sagen, was die Inhalte sind, und welche deutschen Best-Practice-Beispiele eine Rolle spielen. Der Konferenz solle "nicht vorgegriffen" werden, sagt eine Regierungssprecherin. Es sei allerdings bekannt, dass die Arbeitsagenturen "differenzierte Hilfestellungen anbieten, damit der Übergang von der Schule ins Berufsleben gelingt", deutet sie an.

Andererseits ist oft von "Strukturreformen" die Rede, Merkel erwähnt den Begriff immer wieder. Was damit konkret gemeint ist? Die Kanzlerin sagt nur, Deutschland habe "insbesondere durch die Arbeitsmarktpolitik in den neuen Bundesländern erhebliche Erfahrungen".

Als sie die Konferenz im Mai ankündigte, waren ihre Sprecher allerdings auskunftsfreudiger. n-tv.de fragte nach, auf welcher Grundlage die Bundesregierung zu Aussagen über funktionierende und nicht funktionierende Arbeitsmarktpolitik gekommen sei und wie die Ergebnisse aussähen. Als Antwort schickte die Regierung einen Evaluationsbericht der Agenda 2010, auch Hartz-Reformen genannt. Nach Ansicht der Bundesregierung führte das Paket dazu, dass die Arbeitslosenzahlen sanken und Deutschland die Finanzkrise besser verkraftete als andere Länder.
Regierung lobt Leiharbeit

Vier Elemente der Hartz-Reformen hob die Regierung als wirksam im Kampf gegen Arbeitslosigkeit hervor:

Förderung der beruflichen Weiterbildung: Seit 2004 müssen Weiterbildungskurse ihre Erfolgszahlen angeben, damit sie von der Arbeitsagentur anerkannt werden. Nur wo es eine Erfolgsquote von mindestens 70 Prozent gibt, wird bezuschusst. In der Folge wurden viele unsinnige Weiterbildungsangebote abgeschafft, kurze und günstige Trainings gewannen an Bedeutung.

Förderung der Existenzgründung: Mit den "Ich-AGs" sollte gefördert werden, wenn sich Arbeitslose selbst Jobs schaffen. Mittlerweile heißt die Förderung "Gründungszuschuss" und wird pro Jahr über 200.000 Mal bewilligt. Wie wirksam das ist, lässt sich nur schwer erforschen, Wissenschaftler gehen aber von einem positiven Effekt aus.

Eingliederungszuschüsse: Stellt ein Unternehmen Mitarbeiter ein, die nur geringe Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, zahlt die Arbeitsagentur einen Teil des Gehalts. Die Wissenschaftler stellten in ihren Untersuchungen fest, dass einige der so Geförderten danach eine normale Arbeitsstelle fanden - viele waren es allerdings nicht.

Leiharbeit: Die "Arbeitnehmerüberlassung" war vor der Reform noch eine Ausnahme am Arbeitsmarkt. Befristete Arbeitsverträge waren untersagt, ebenso Kündigungen mit direkter Wiedereinstellung. Außerdem durfte ein Arbeitnehmer maximal 24 Monate in einem fremden Betrieb arbeiten. Diese Beschränkungen fielen weg und machten aus der Nische Zeitarbeit ein großes Geschäft. Innerhalb eines Jahres wuchs die Zahl der Zeitarbeiter um 29.000. Wie viele davon allerdings zuvor arbeitslos waren, wurde nicht untersucht.

Die Bundesregierung legte gegenüber n-tv.de Wert darauf, dass es bei der Konferenz nicht "lediglich" um Reformen beim Thema Leiharbeit gehe.
"Ohrfeige für die Jugend Europas"

Die Leiharbeit ist in Deutschland heftig umstritten. In den Wahlprogrammen von SPD, Grünen und Linken prangern diese einen "Missbrauch" des Instruments an: Anstatt Auftragsspitzen abzufangen, werde Leiharbeit genutzt, um Tarifverträge zu umgehen. An den Fließbändern in deutschen Fabriken stünden nach Tarif bezahlte Angestellte mit vollem Kündigungsschutz neben Leiharbeitern, die weniger verdienen und weniger Rechte haben - obwohl beide die gleiche Arbeit tun. Zuletzt stand der Versandriese Amazon in der Kritik, weil dort Leiharbeiter schikaniert wurden. Auch Arbeitsministerin Ursula von der Leyen äußerte sich dazu kritisch.

Linken-Spitzenkandidat Klaus Ernst spricht von einer "Ohrfeige für die Jugend Europas". Zu n-tv.de sagte er: "Leiharbeit senkt flächendeckend Löhne und Sozialstandards. Diesen Beweis hat Deutschland in den letzten zehn Jahren eindrucksvoll erbracht." Deutschland riskiere einen Aufstand der Jugend Europas gegen Merkel.

Die Kanzlerin besteht aber darauf, dass sich im Süden noch einiges verändern muss, bevor weiteres Geld fließen kann. In ihrer Regierungserklärung in der vergangenen Woche sagte sie, dass "alle europäische Unterstützung nichts bringt, wenn die Mitgliedstaaten ihre Hausaufgaben nicht machen". Darum seien eben diese Mitgliedstaaten gefordert, "die notwendigen Reformen durchzuführen, um Hindernisse bei der Einstellung von jungen Menschen zu beseitigen." Entsprechend wehrte sie die Versuche ab, beim EU-Gipfel zusätzliches Geld für Förderprogramme zu bewilligen.

Als Merkel im Mai die Berliner Konferenz ankündigte, sagte sie, dass einiges an Vorarbeit bereits gelaufen sei. Man habe mit "denjenigen Ländern, in denen die Jugendarbeitslosigkeit am geringsten ist - das sind Schweden, die Niederlande, Österreich, Finnland, Dänemark -, über solche erfolgreichen Arbeitsmarktmaßnahmen gesprochen." Die starken Euro-Staaten haben sich also zusammengetan. Die schwachen werden sich dem Druck kaum entziehen können.

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