Soziale Politik Deutschlands
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Vorwürfe gegen Arbeitsagentur

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Vorwürfe gegen Arbeitsagentur Empty Vorwürfe gegen Arbeitsagentur

Beitrag von Admin Do Jun 27, 2013 8:16 am

Marco Patriarca


Ich muss zugeben, dass ich nicht damit gerechnet hätte, dass der ALG II-Bereich noch zum Wahlkampfthema werden könnte. Genau das scheint nun aber möglich zu sein.
Es wundert mich, weil sich außer der Linken keine Partei der Beteiligung völlig freisprechen kann. Durch die Vielzahl der Novellierungen lassen sich en détail Verantwortlichkeiten sicherlich genauer zuweisen. Derartige Feinheiten lassen sich aber nicht unbedingt "parolentauglich" kommunizieren ...
Mich wundert auch die Beschaffenheit des Stein des Anstoßes. Zum einen ist die Problematik der Zielvorgaben durchaus schon länger bekannt und in einer langen Reihe von Missständen, hebt sich die Diskriminierung von Langzeitarbeitslosen, gar nicht so deutlich ab.


Opposition attackiert von der Leyen
Vorwürfe gegen Arbeitsagentur Von_de10


Die schlechte Betreuung von Langzeitarbeitslosen durch die Agentur für Arbeit heizt den Bundestagswahlkampf an: Die Opposition greift Arbeitsministerin von der Leyen an, selbst die FDP sieht Handlungsbedarf. Die Agentur bestätigt die Vorwürfe in einem internen Schreiben.

Hamburg - Die Kritik des Rechnungshofs an der Arbeit der Bundesagentur für Arbeit (BA), über die der SPIEGEL berichtet, setzt kurz vor der Bundestagswahl die schwarz-gelbe Koalition unter Druck. Die Untersuchung des Bundesrechnungshofs vom November 2012 prangert Statistik-Manipulationen und die Vernachlässigung von Langzeitarbeitslosen an. SPD und Grüne greifen Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) an, auch die FDP fordert ein Umsteuern zugunsten schwer vermittelbarer Arbeitsloser.

Der Bundesrechnungshof hatte unter anderem erhebliche Manipulationen festgestellt. So seien etwa Lehrlinge, die ohnehin von ihrer Firma übernommen werden sollten, gezielt dazu gebracht worden, sich dennoch als arbeitsuchend zu melden, und später als erfolgreich vermittelt gezählt worden.

Die politische Sprengkraft des Rechnungshofberichts liegt aber weniger in den dort angeprangerten Manipulationen an der Statistik - sondern in der systematischen Vernachlässigung von Langzeitarbeitslosen. Abzulesen sei das etwa an den von der Zentrale in Nürnberg vorgegebenen Kriterien, nach dem der Erfolg der einzelnen Agenturen gemessen wird. Dabei zählt jede Vermittlung gleich viel, egal wie schwierig sie ist.

"Wir sehen die Handschrift von Arbeitsministerin von der Leyen"

Darüber hinaus treibe ein ausgeklügelter Zielschlüssel die Agenturen dazu, Langzeitarbeitslose weitgehend zu ignorieren: Demnach trägt der Erfolg einer Agentur bei der Vermittlung von Langzeitarbeitslosen insgesamt weniger als ein Fünftel zu deren Bewertung durch die Zentrale bei. Vor allem die Vermittlung von Menschen, die keine Leistungen von der BA erhalten - etwa Hausfrauen -, werde den Agenturen dabei kaum angerechnet. Von dieser Bewertung wiederum hänge es aber ab, ob die Führungsebenen einer Agentur überhaupt Bonuszahlungen erhalten - und wie hoch diese sind.

Die Opposition sieht die Verantwortung bei der Bundesregierung: "Wir sehen die Handschrift von Arbeitsministerin von der Leyen. Diese Politik nimmt sehenden Auges in Kauf, dass Langzeitarbeitslose mit Vermittlungshemmnissen dauerhaft abgehängt werden", sagt Brigitte Pothmer, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion.

Der stellvertretende SPD-Fraktionschef Hubertus Heil sagte, von der Leyen müsse nun eine Reihe von Fragen zu dem Thema beantworten. Für ihn liege die Vermutung nahe, "dass solche Fehlsteuerungen in der BA auch Ergebnis der schwarz-gelben Kürzungen in der Arbeitsmarktpolitik sind, die zu Lasten von Langzeitarbeitslosen gehen".

Arbeitsagentur bestätigt Fehlanreize

Das Arbeitsministerium reagierte zurückhaltend auf die Vorwürfe des Rechnungshofs. Man nehme die Kritik ernst. Dass es in der Vergangenheit Fehlsteuerungen gegeben habe, werde nicht in Abrede gestellt. "Entscheidend ist, daraus zu lernen und die Systeme zu verbessern", sagte eine Sprecherin. Man habe hohes Interesse an der guten Betreuung aller Arbeitslosen. Das Ministerium begrüße es daher, dass die BA bereits beschlossen habe, das Steuerungssystem zu überarbeiten.

Der Koalitionspartner FDP fordert ebenfalls eine bessere Betreuung von schwer Vermittelbaren. Zwar sei der Rückgang der Zahl der Langzeitarbeitslosen von 1,7 Millionen auf eine Million ein Erfolg, argumentiert Johannes Vogel, arbeitsmarktpolitischer Sprecher der liberalen Bundestagsfraktion. Aber: "Gerade jetzt müssen wir denjenigen eine Chance ermöglichen, die es am Arbeitsmarkt sehr schwer haben." Die Kritik des Bundesrechnungshofs müsse man sehr ernst nehmen: "Das tut die BA, und ich erwarte das auch von ihr." Die Koalition habe aber bereits im vergangenen Jahr neue Projekte für Langzeitarbeitslose ermöglicht.

Die BA selbst reagierte eilends: Bereits am Sonntag verschickte sie ein Rundschreiben an die Mitarbeiter, das SPIEGEL ONLINE vorliegt. Darin schwört die BA ihre Mitarbeiter zwar auf Erfolge der vergangenen Jahre ein - außer dem Rückgang der Arbeitslosigkeit insgesamt sieht sie diese Erfolge aber vor allem in der drastischen Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung. Zudem habe der Bundesrechnungshof das System, über Zielvorgaben zu steuern, grundsätzlich als bewährt und anerkannt gutgeheißen.

Im Grunde aber bestätigt die BA-Führung die Vorwürfe indirekt: "Es ist richtig, dass der genannte Prüfbericht Fehlanreize im Steuerungssystem und einzelne Manipulationen bemängelt", heißt es in dem Schreiben, das außer von BA-Chef Frank-Jürgen Weise auch von den Vorständen Heinrich Alt und Raimund Becker unterzeichnet ist. "In der Folge wird das Zielsystem ab 2014 um qualitative Elemente ergänzt, so dass Ihre Bemühungen um aufwendiger zu integrierende Kunden richtig bewertet werden", wird in dem Schreiben weiter angekündigt.

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Beitrag von Admin Do Jun 27, 2013 8:23 am

Marco Patriarca

"Es ist daher an der Zeit, die erneute Kritik an der Arbeitsvermittlung der BA zum Anlass zu nehmen, die Hartz Gesetze zu überprüfen und zu korrigieren.
Die Privatisierung von Arbeitsvermittlung und Arbeitsmarktpolitik durch Einschaltung von privaten Personalvermittlern und vor allem Leihagenturen und deren Ausdehnung auf schwer vermittelbare Langzeitarbeitslose gehören genauso auf den Prüfstand wie die erheblichen Kürzungen bei Bundeszuschüssen und Personal. [...]
Bleibt nur zu hoffen, dass diesmal ein Vierteljahr vor den nächsten Bundestagswahlen die BA und die Arbeitsmarktpolitik nicht wie 2001/2002 kurzfristigen Wahlinteressen untergeordnet werden. Vielmehr müssen alle Beteiligten bei der Erstellung des Berichtes des Bundesrechnungshofes den notwendigen Weitblick für die Zukunft der BA als einen wesentlichen Eckpfeiler unseres Sozialstaates an den Tag legen."

Bleibt zu hoffen, dass die Worte Frau Engelen-Kefers das nötige Gehör finden.

BA-Statistik der Arbeitsvermittlung – Lehren aus der Vergangenheit – von Ursula Engelen-Kefer

Vorwürfe gegen Arbeitsagentur Engele10


Mehr als 10 Jahre sind vergangen, seit die politisch hochgespielte Skandalisierung der Statistik über die Arbeitsvermittlung der damaligen Bundesanstalt für Arbeit – heute Bundesagentur für Arbeit (BA) – die Schlagzeilen beherrschte. Die Folgen waren wirtschaftlich, sozial und politisch im wahrsten Sinne des Wortes “weittragend”.

Der damalige Präsident der BA, Bernhard Jagoda (CSU) sowie etwas später auch Bundesarbeitsminister Walter Riester(SPD) wurden abgelöst. Auf Jagoda folgte der von Bundeskanzler Schröder handverlesene Florian Gerster, vormals Arbeits-und Sozialminister von Rheinland Pfalz. Nach seinem kurzen höchst umstrittenen Intermezzo an der Spitze der BA musste er dem Finanzvorstand der BA Frank Jürgen Weise Platz machen. Wolfgang Clement (SPD), abgewählter Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, trat an die Spitze der zusammengelegten Bundesministerien für Wirtschaft und Arbeit. Organisation und Struktur der BA wurden professionalisiert; die Rolle der Selbstverwaltung verringert; die Arbeitsmarktpolitik durch Hartz-Kommission und Hartz Gesetze flexibilisiert und privatisiert; prekäre Beschäftigung und Niedriglohnsektoren erheblich ausgeweitet. Dem Aufstieg der Partei der Linken und letztendlich dem politischen Wechsel von rot-grün zur schwarz-roten und später schwarz-gelben Bundesregierung unter Bundeskanzlerin Angela Merkel war der Weg bereitet.

Seither hat sich bei der Bundesagentur, bei Arbeitsvermittlung und Arbeitsmarktpolitik, aber auch bei Beschäftigung und Arbeitslosigkeit viel verändert. Erstmalig erfolgte eine professionelle Steuerung der verschiedenen Bereiche der BA – Beratung, Vermittlung, Arbeitsmarktpolitik, Zahlung von Leistungen über Zielvereinbarungen und Controlling. Im Zuge der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe (ALG II und Hartz IV) ist die Zahl der Langzeitarbeitslosen zunächst erheblich gestiegen. Mit der Übernahme der Finanzierung von ALG II durch den Bund wurde die Verantwortung für die Langzeitarbeitslosen auf BA und Kommunen in den Job Centern übertragen.

Die Bewertung dieser gravierenden Veränderungen in der Arbeitsmarktpolitik ist auch nach zahlreichen Gutachten bis heute höchst umstritten. Die Apologeten verweisen auf die seit 2007 mit Unterbrechung der Krisenjahre erhebliche Verbesserung auf dem Arbeitsmarkt. Allerdings spüren davon die über 20 Prozent Menschen in prekärer Beschäftigung – Befristung, Leiharbeit und Minijobs sowie die Ausweitung von Niedriglöhnen und Armut bei Arbeit – nichts. In jedem Fall haben die Zweiteilung von Arbeitsmarkt und Gesellschaft erheblich zugenommen.

Die BA steht inmitten dieser Spannungen, wie sich an der erneut entzündenden Kritik ihrer Vermittlungsstatistik zeigt. Seit Einführung von Transparenz, Zielvereinbarungen und Controlling als Grundlage jeglicher Steuerung ihrer Leistungen hat es immer wieder Kritik, aber auch die Bereitschaft zu Korrekturen gegeben. Dabei ging es vielfach um die auch jetzt wieder kritisierte Vernachlässigung der schwer vermittelbaren Arbeitslosen. Eine perfekte Lösung bei den Zielvereinbarungen, den Indikatoren und Kontrollverfahren kann es in einer derartigen komplexen Massenverwaltung kaum geben. Entscheidend wird immer sein, ob die Bereitschaft zur Anpassung sozusagen als ein lernendes System fortgesetzt und verbessert werden kann.

Darüber hinaus sind auch die Politik und die Sozialparteien innerhalb und außerhalb der Selbstverwaltung gefordert. Die ständigen Nachbesserungen der mit heißer Nadel und teilweise kaum praktikablen Kompromissen “genähten” Hartz Gesetze – vor allem Hartz IV – verweisen auf eine der großen Schwachstellen. Wenn mehrere Urteile des Bundessozial- und Bundesverfassungsgericht zur Gestaltung der Job Center sowie der Höhe der ALGII und Hartz IV Leistungen ergehen, spricht dies eine deutliche Sprache. Ergänzt wird dies durch die große Fülle von Sozialrechtsverfahren mit einem hohen Anteil des Obsiegens der Kläger.

Es ist daher an der Zeit, die erneute Kritik an der Arbeitsvermittlung der BA zum Anlass zu nehmen, die Hartz Gesetze zu überprüfen und zu korrigieren. Die Privatisierung von Arbeitsvermittlung und Arbeitsmarktpolitik durch Einschaltung von privaten Personalvermittlern und vor allem Leihagenturen und deren Ausdehnung auf schwer vermittelbare Langzeitarbeitslose gehören genauso auf den Prüfstand wie die erheblichen Kürzungen bei Bundeszuschüssen und Personal. Bei der immer noch überdurchschnittlich hohen Langzeitarbeitslosigkeit sowie dem erneuten Anstieg der Arbeitslosigkeit von Menschen mit Behinderungen und Schwerbehinderungen sind die drastischen Kürzungen bei den der BA zustehenden Bundessteuern von über 20 Mrd. Euro bis 2016 in Frage zu stellen. Dies gilt ebenso für Auflagen des Bundes zu drastischen Streichungen von Personalstellen und der Notwendigkeit, gerade bei der Betreuung Langzeitarbeitsloser auf einen hohen Anteil befristet Beschäftigter ausweichen zu müssen.

Bleibt nur zu hoffen, dass diesmal ein Vierteljahr vor den nächsten Bundestagswahlen die BA und die Arbeitsmarktpolitik nicht wie 2001/2002 kurzfristigen Wahlinteressen untergeordnet werden. Vielmehr müssen alle Beteiligten bei der Erstellung des Berichtes des Bundesrechnungshofes den notwendigen Weitblick für die Zukunft der BA als einen wesentlichen Eckpfeiler unseres Sozialstaates an den Tag legen. Korrekturen gerade bei der Eingliederung der schwer Vermittelbaren Arbeitslosen wird es nicht nur in der Praxis der BA, sondern auch bei den Hartz Gesetzen sowie den finanziellen und personellen Spielräumen für die BA geben müssen.

Dr. Ursula Engelen-Kefer war von 1990 bis 2006 stellvertretende DGB-Vorsitzende und von 1984 bis 1990 Vizepräsidentin der damaligen Bundesanstalt für Arbeit. Von 1980 bis 1984 leitete sie die Abteilung Arbeitsmarktpolitik einschließlich der Internationalen Sozialpolitik beim DGB. Heute arbeitet sie als Publizistin in Berlin (www.engelen-kefer.de). Seit Februar gibt sie Wirtschaft und Gesellschaft – Analyse und Meinung mit heraus.
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