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Die Titanic der BFA

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Beitrag von Admin Do Jun 27, 2013 8:44 am

Marco Patriarca


Der Artikel schildert die Kontraindikation von Zielvorgaben anschaulich und nachvollziehbar.

Die Titanic der BFA Agentu10

Dass die Agenda 2010 in ihrer jetzigen Form desolat ist, stellt insbesondere für die leistungsberechtigten Erwerbslosen keine Neuigkeit dar. Agenda 2010 ein Konstrukt zum Ausbau des subventionierten prekären Arbeitsmarktes, einem Regime in den Jobcentern des Sparens, dem Einschneiden von Persönlichkeitsrechten bei den Erwerbslosen sowie dem übergeordnetem Controlling anhand der jährlichen Zielvereinbarungen. So ist es keine Seltenheit in den regelmäßigen Teambesprechungen der Jobcenter zu hören, dass Bundesziele nicht erreicht oder nur knapp erreicht wurden sind. Aber auch individuelle Ziele der einzelnen Jobcenter sind regelmäßige Themen. Diese lauten unter anderem mindestens einen Vermittlungsgutschein, vier Maßnahmen bei einem Träger, einem Bildungsgutschein oder zwei Arbeitsgelegenheiten pro Monat zu buchen. Kann das Buchen in Trainingsmaßnahmen oder Qualifizierungen durchaus eine positive Resonanz bei den Erwerbslosen hervorrufen und entsprechende Fähigkeiten und Kenntnisse fördern, stellt sich doch die Frage, inwiefern die Individualität des Einzelnen dabei berücksichtigt wird. Die Jobcenter-Mitarbeiter kommen in den Druck in Maßnahmen zu buchen ohne Berücksichtigung der Individualität und Passgenauigkeit der Erwerbslosen. Diese wiederum wundern sich über Zuweisungen, die oftmals für sie persönlich keine Entwicklung bringen. Förderung stellt erst eine tatsächliche Förderung dar, wenn sie im Nachhinein verwertbar ist. Niemals darf sie ein Parken, um die Statistik zu beschönigen, instruieren. So sprach Heinrich Alt, Vorstand der Bundesagentur der Arbeit, im Kreis von Wirtschaftsjunioren von einem „intelligenten Freizeitentzug“, wenn die Haltung der Erwerbslosen in Maßnahmen überprüft werden. Somit verlieren die Maßnahmen den Status der sozialen Dienstleistungsangebote und werden zu Kontrollinstrumenten missbraucht.

Reduzierung der primären Zielsetzungen bei den Ein-Euro-Jobs

Besonders auffällig ist die Entfremdung der Ein-Euro-Jobs. Waren zu Beginn dieser Qualifizierungen, Coaching, Bewerbungstrainings und Praktika ein primärer Bestandteil, sind diese seit dem 1. April 2012 gestrichen. Stattdessen wurden nun parallel sogenannte begleitende Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheine (AVGS-MAT) mit rund 5 Stunden pro Woche bei einem Bildungsträger herausgegeben. Eine stille Reduzierung der ehemals primären Zielsetzung von rund 30 Stunden pro Woche auf fünf Stunden. Eine interne Revision, Stand Januar 2013 in den Jobcentern von Hamburg bemängelte die Abgrenzung anderer Instrumente vor den Ein-Euro-Jobs. Die Rüge belief sich dahingehend, dass die Ein-Euro-Jobs wohl nicht immer als letztes Mittel eingesetzt werden und entsprechende Begründungen fehlen. So gelten die Weisungen in die Vermittlung von Arbeitsgelegenheiten für Erwerbslose mit komplexen Vermittlungshemmnissen analog der Profillage. Nicht viel anders sieht es bei anderen Maßnahmen aus. Als Hilfsinstrument steht den Jobcentern der Bildungsgutschein zur Verfügung. Die Erwerbslosen haben die Möglichkeit sich frei einen entsprechenden, passgenauen Träger für eine Qualifizierung zu suchen. Dem steht die Bittstellung der Träger ihre Maßnahmen zu füllen entgegen. Das lässt sich einfach daran erklären, dass zum Teil eingekaufte Maßnahmen aus wirtschaftlicher Sicht der Bundesagentur für Arbeit selbstverständlich besetzt werden müssen. Hier greift das wirtschaftliche Prinzip der Gewinnmaximierung. Nicht anders agiert die freie Wirtschaft und ist an sich nicht verwerfliches. Nun steht diese Zwangsfüllung der Maßnahmen oftmals zur konträren Berufsausbildung, Werdegang oder Studium der Erwerbslosen. Für die Jobcenter kein Widerspruch, da mit der Einführung von Hartz IV die freie Berufs- und Ausbildungswahl aufgehoben wurde. Schließlich ist jede Arbeit zumutbar und einen Berufsschutz nach § 10 Abs. 2 Nr. und 2 SGB II gibt es grundsätzlich nicht. Dem gegenüber steht im Widerspruch die „Entwicklungsperspektive 2020“ und dem Leistungsversprechen der Bundesagentur für Arbeit. Demnach begegnen sie (1) den Kunden dort, wo sie sind. Weiter heißt es (2) wir unterstützen marktnahe Kunden mit neuen Angeboten und bei (3) heißt es, wir betreuen marktferne Kunden noch intensiver und (4) besagt, dass den Arbeitgebern neue Dienstleistungen angeboten werden. So möchte die Bundesagentur für Arbeit neue Fähigkeiten entwickeln, die finanziellen Ressourcen nutzen und die Bürokratie reduzieren. Neuartige und effiziente IT-Lösungen werden kommen und das Personalmanagement wird vorausschauend gestaltet. Dabei ist das primäre Ziel die möglichst schnelle Beendigung der Arbeitslosigkeit durch Beschäftigung. Die frühzeitige treffsichere Investition in Qualifizierung soll somit zur Beschäftigungsaufnahme führen. Das klingt nachvollziehbar.

Drei Millionen Arbeitslose vs. einer Million offenen Stellen

Nur eines wird seit Jahren vergessen und ignoriert: DEN Arbeitsmarkt gibt nicht gestern, nicht heute und vermutlich auch nicht morgen. Im Interview mit „euronews“ vom 12. Juni 2013 spricht Arbeitsministerin von der Leyen, dass in Deutschland rund eine Million offene Arbeitsplätze unbesetzt seien. Weiterhin erwähnt sie, dass Hartz IV-Empfänger Angebote unterbreitet werden müssen, damit sie arbeiten können und aus dem Hartz IV rauskommen. Angesichts der guten Wirtschaftslage sei dieses zunehmend möglich. Eindeutig verschließt unsere Arbeitsministerin die Augen. Sie selbst spricht von rund einer Million offenen Arbeitsplätzen. Die „beschönigte“ Statistik in den Medien spricht von knapp drei Millionen Arbeitslosen. Rechnen? Fehlanzeige! Selbst die Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit weist aktuell rund drei Millionen Bewerber im Verhältnis zu rund 728 000 Stellen aus.

Der Hauptpersonalrat Einsiedler (BA) stellt richtig fest: „Steuern nach Zahlen ist wie Malen nach Zahlen.“ Ein Boot zu steuern, wie die BA es ist, ist unter den derzeitigen Strukturen fast unmöglich bis unmöglich, solange ein Druck auf die Erwerbslosen ausgeübt wird, dem der derzeitige Arbeitsmarkt und der „Controllingwut“ durch die Bundesagentur für Arbeit entgegensteht. Neue Farben in Form von Transparenz, Auflösung des Machtinstrumentes der Erpressbarkeit durch die Sanktionen und freie Entscheidungen durch die Jobcenter-Mitarbeiter in Bezug auf Wohlwollen und Abhängigkeit des Gehorchens der Erwerbslosen sowie die Aufhebung der Belohnungstaktik durch die Jobcenter müssen her. Ansonsten wird das Schiff der Bundesagentur für Arbeit zur Titanic.

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