Folgen der Agenda 2010
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Folgen der Agenda 2010
In der anhaltenden und an Schärfe zunehmenden Diskussion um die
rechtliche Bewertung des SGB II (Hartz IV) wird ein unabdingbarer
juristischer Grundsatz nicht ausreichend berücksichtigt. Dieser lautet:
Höheres Recht bricht niedrigeres Recht (lex superior derogat legi
inferiori)! Im Rechtskreis des SGB II findet dieser Grundsatz keine
Anwendung, eine Entwicklung, die eindeutig die Prinzipien jeder
Rechtsstaatlichkeit außer Kraft setzt – rechtswidrig, wie sich zeigen
wird, nationales wie internationales Recht eindeutig verletzend. In dem
vorliegenden Exkurs wird der Nachweis geführt, dass niedriges Recht
(das SGB II) schon in seinen Grundzügen sich unerlaubt und ohne
Rechtfertigung gegen höheres Recht stellt und das in einem derart
erschreckenden Ausmaß, dass die Zeit gekommen ist, sich auch auf
gerichtlichem Wege dagegen zur Wehr zu setzen. Dort wo der
Rechtsstaat disponibel wird, systematisch und politisch gewollt, dort ist
die Preisgabe der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bereits
auf den Weg gebracht.
Die Mütter und Väter des Grundgesetzes waren von der festen Absicht
beseelt, schreiendes Unrecht, wie es in Zeiten des
nationalsozialistischen und faschistischen Terrorregimes des „Dritten
Reiches“ herrschte, auf ewig zu verhindern. Deshalb garantiert Artikel
20 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland im Abs. 4
das Recht eines jeden Deutschen, gegen jeden Widerstand zu leisten,
der es unternimmt, die dort in Abs. 1 bis 3
niedergelegte Verfassungsordnung zu beseitigen, wenn andere Abhilfe
nicht möglich ist. Angesichts der faktischen Außerkraftsetzung
grundgesetzlich garantierter und durch international verbindliches
Völkerrecht verbriefter Menschenrechte, wird der Widerstand geradezu
zur Pflicht!
Dieser Widerstand wächst zusehends, eine überparteiliche und
außerparlamentarische Bewegung macht sich bereit für den
entscheidenden Kampf zur Verteidigung der freiheitlich-demokratischen
Grundordnung, stellt sich auf, um die Wiedergeburt eines
menschenverachtenden und mörderischen Faschismus abzuwehren. Im
vorliegenden Beitrag geht es mir darum, Wege aufzuzeigen, die dieser
Bewegung zum Erfolg verhelfen können, auch wenn es schon eine
Minute vor zwölf ist. Dabei habe ich in den letzten Tagen hochgradige
Unterstützung aus dem europäischen Ausland erhalten. Dort wächst die
Empörung über die Entwicklungen in Deutschland, einem wachsenden
Unrechtsstaat, der sich mal wieder dazu aufschwingt, mit seinem
Wesen Europa und schließlich die gesamte Welt zu tyrannisieren. Dort
wächst aber auch die Bereitschaft, besagten Widerstand zu
unterstützen. Dies ist, das darf ich an dieser Stelle schon vorweg
nehmen, ein erster Erfolg besagter Bewegung, ihr ist bereits gelungen,
die Aufmerksamkeit auf die deutschen Verhältnisse zu lenken und
internationalen Beistand zu organisieren. Die Geister die gerufen sind,
werden nicht mehr loslassen, bis die verbrecherische Politik einer
gesetzlosen „Elite“, die sich über Recht und Moral stellt, ein Ende
findet.
Ich werde nun, in der Rangfolge der Rechtsgüter („von oben nach
unten“), den vielfältigen und wie gesagt systematischen Rechtsbruch
aufzeigen, vom Völkerrecht bis hin zum nationalen Recht. Ich werde zu
jedem erkannten Rechtsbruch Wege aufzeigen, die die Bundesrepublik
Deutschland und ihre Vertreter zur Anklage bringen und diese in ihre
Schranken zu verweisen behilflich sein können. Die aufgezeigten
Rechtswege sind erfolgversprechend, ersetzen aber nicht den
organisierten Widerstand außerhalb und innerhalb der Parlamente.
Wem die Verteidigung der Demokratie ernsthaft am Herzen liegt, der
darf keine Möglichkeit des Aufbegehrens und des aktiven Kampfes
auslassen. Der Widerstand muss jetzt ein Ausmaß annehmen, der die
Ewig-Gestrigen und ihre faschistoiden Absichten von der Bühne der
Geschichte hinweg fegt. Noch ist es nicht zu spät, noch haben die
Unmenschen nicht obsiegt!
1. Charta der Grundrechte der Europäischen Union
(EMRK)
Die “Charta der Grundrechte der Europäischen
Union“ kodifiziert Grund- und Menschenrechte im Rahmen
der Europäischen Union. Mit der Charta sind die EUGrundrechte
erstmals umfassend schriftlich und in einer verständlichen
Form niedergelegt. Sie orientiert sich an der Europäischen
Menschenrechtskonvention und der Europäischen Sozialcharta, den
mitgliedstaatlichen Verfassungen und internationalen
Menschenrechtsdokumenten, aber auch an der Rechtsprechung der
europäischen Gerichtshöfe.
Die Charta wurde ursprünglich vom ersten europäischen Konvent unter
dem Vorsitz von Roman Herzog erarbeitet und u.a. vom Europäischen
Parlament und vom Rat der Europäischen Union gebilligt. Rechtskraft
erlangte die zur Eröffnung der Regierungskonferenz von Nizza am 7.
Dezember 2000 erstmals feierlich proklamierte Charta – nach dem
Scheitern des Europäischen Verfassungsvertrages - jedoch erst am 1.
Dezember 2009, gemeinsam mit dem Inkrafttreten des Vertrags von
Lissabon. Die Grundrechtecharta ist nicht mehr Teil des Vertrags, wie
noch in dem gescheiterten Verfassungsentwurf vorgesehen; durch den
Verweis in Artikel 6 des durch den Lissaboner Vertrag geänderten EUVertrages
wird sie jedoch für alle Staaten, ausgenommen das Vereinigte
Königreich und Polen, für bindend erklärt.(…) Die Charta enthält die auf
Ebene der Union geltenden bzw. unionalen Grundrechte, die bisher nur
durch einen allgemeinen Verweis auf die Europäische
Menschenrechtskonvention und auf die gemeinsamen
Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten der Europäischen
Union im Vertrag genannt wurden (Artikel 6 Absatz 3 des EU-Vertrags).
Mit ihrer “Sichtbarmachung” in der Charta sollen die Grundrechte für
den Einzelnen transparenter werden. Zugleich sollen Identität und
Legitimität der Europäischen Union – als Wertegemeinschaft – gestärkt
werden.
In sechs Titeln (Würde des Menschen, Freiheit, Gleichheit, Solidarität,
Bürgerrechte und justizielle Rechte) fasst die Charta die allgemeinen
Menschen- und Bürgerrechte und die wirtschaftlichen und sozialen
Rechte in einem Dokument zusammen. Sie zeigt damit eindrücklich die
Unteilbarkeit der Grundrechte. Zudem enthält die Charta einige
wesentliche Grundsätze, an die sich vor allem der europäische
Gesetzgeber zu halten hat.“1 So werden z.B. „würdige
Arbeitsbedingungen“ garantiert und jede Art der Diskriminierung
verboten.
Einige der in der Charta garantierten Rechte gelten absolut und ohne
jegliche Einschränkung, so die Menschenwürde (Art. 1), das
Folterverbot (Art. 4) oder das Sklavereiverbot (Art. 5). In diese Rechte
dürfen Union und Mitgliedstaaten nicht eingreifen, und jede
Relativierung – etwa beim Folterverbot – verbietet sich. Ich werde im
Verlaufe dieses Exkurses noch detaillierter darauf eingehen.2
1.1. Art. 6 EMRK: Recht auf ein faires Verfahren
„(1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug
auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine
gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen
und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen
Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird.
Das Urteil muss öffentlich verkündet werden. (…)“3
1.1.1. „Faires Verfahren“ versus Sanktionspraxis im
Rechtskreis des SGB II
Die Sanktionspraxis ist in den §§ 31 und 32 des SGB II durch den
Gesetzgeber legitimiert, sie verstößt u.E. gegen das Gebot eines fairen
Verfahrens, das im Art. 6 EMRK völkerrechtlich verbindlich und absolut
geregelt ist.
Die Sanktionen im SGB II sind juristisch als sog. Verwaltungsstrafe zu
werten. Diese Strafen werden von Verwaltungsangestellten einer
Behörde (hier Jobcenter) verhängt, auch mögliche Widersprüche
dagegen werden von den gleichen Behörden beschieden. Diese
Behörden erfüllen in keinster Weise die Voraussetzungen für das
gebotene Recht auf ein faires Verfahren, sie können die Anfordernisse
einer anerkannten Judikatur nicht erfüllen, ihnen fehlt jegliche
Tribunalqualität. Dazu müssten die Jobcentermitarbeiter, die Strafen
verhängen und das Rechtsmittel Widerspruch bearbeiten, die
Befähigung zum Richteramt haben und unabhängig von jeder Weisung
sein. Diese zwingenden Voraussetzungen werden aber im Rechtskreis
des SGB II nicht einmal im Ansatz erfüllt, von einem fairen Verfahren
kann also nicht die Rede sein. Bis hierin ist ein klarer Verstoß gegen den
Art. 6 EMRK zu konstatieren.
1.1.1.2. Einschränkung der Prozesskostenhilfe untergräbt
das Recht auf ein faires Verfahren
Erst mit Beschreiten des Klageweges vor einem ordentlichen Gericht,
wird die o.g. Tribunal-Qualität erfüllt. Dazu bedarf es aber der
Möglichkeiten des potentiellen Klägers, diesen Weg zu bestreiten. Mit
der geplanten Einschränkung des Prozesskostenhilfe insbesondere für
wirtschaftlich geschwächte Hartz IV- Empfänger wird der Klageweg vor
einem ordentlichen Gericht eindeutig verbaut. Es entspricht dem
politischen Willen der Bundesregierung, den präkarisierten Massen
jegliche Judikatur zu verweigern. Ein klarer Verstoß gegen anerkanntes
Völkerrecht, ein ungeheurer Akt der Willkür, der eindeutig strafbewehrt
ist und bestraft werden muss. Die Festlegung von Sanktionsquoten
belegt den politischen Vorsatz und sollte sich deutlich strafverschärfend
auswirken!
2. Die BRD bricht Völkerrecht im Stile eines notorischen
Mehrfachtäters
Nach der Veröffentlichung des ersten Teils dieser Serie erreichte mich
der freundliche Hinweis einer promovierten Juristin, den ich an dieser
Stelle gerne aufgreife1:
Wir müssen in der Diskussion um die völkerrechtliche Bewertung des
Hartz-Systems der Tatsache Rechnung tragen, dass die bereits im
Jahre 1948 durch die Vereinten Nationen (UN) verkündete „Allgemeine
Erklärung der Menschenrechte“ 1976 durch 171 Staaten ratifiziert
wurde, auch durch die Bundesrepublik Deutschland.2 Mithin sind diese
Rechte bereits seit nunmehr 37 Jahren international anerkannt und
haben auch für die BRD einen völkerrechtlich verbindlichen Status
erlangt. Nach den jahrelangen, untauglichen Versuchen eine
Europäische Verfassung zu verabschieden, sind dann die in o.g. UNErklärung
fixierten Rechte in die im Jahre 2000 proklamierte „Charta der
Grundrechte der Europäischen Union (EMRK)“ eingeflossen, die mit
dem Vertrag von Lissabon 2009 auch für die BRD verbindlich wurden.
Wir müssen also konstatieren, dass die Bundesrepublik Deutschland
bereits seit Jahrzehnten anerkanntes und verbindliches Völkerrecht
bricht, geradezu im Stile eines notorischen Mehrfachtäters!
2.1. Artikel 3: Verbot unmenschlicher und erniedrigender
Behandlung
Art. 3 der „Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EMRK)“
verbietet Folter und unmenschliche oder erniedrigende Behandlung
bzw. Strafe. Dieser Artikel ist die einzige Bestimmung der EMRK, die
keinerlei Einschränkungen unterliegt. Selbst im Fall von
Ausnahmesituationen wie dem Kampf gegen Terrorismus und im Falle
von Entführungen, verbietet die EMRK Folter und unmenschliche
Behandlung, eine Abweichung nach Art. 15 EMRK ist im Falle von Art. 3
nicht möglich. Das Folterverbot gilt damit absolut, jeder Eingriff stellt
damit eine Verletzung dar.3
2.2.1. Hartz IV ist die Ausgeburt der Unmenschlichkeit und
Erniedrigung
Dem gegenüber zielt das SGB II (Hartz IV) jedoch bereits in seinen
Grundzügen auf eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung der
Leistungsberechtigten ab. Das beginnt bei der erzwungenen
Offenlegung sämtlicher persönlicher Verhältnisse, gleitet über die
Aufhebung des Bankgeheimnisses4 zielstrebig zur Entmündigung der
Betroffenen5. Den tatsächlichen und millionenfachen Zwang zur
Sklavenarbeit (neudeutsch auch „Leiharbeit“) dürfen wir getrost als
weiteren Schritt zur unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung
bewerten. Das alles gipfelt schließlich in der Sanktionspraxis im
Rechtskreis des SGB II, wenn Menschen in den Hunger, in die
Obdachlosigkeit, in lebensbedrohliche Krankheitsverläufe bis hin in den
Tod getrieben werden.6
2.2.2. Von Staats wegen: Vorsätzlicher Bruch der Völkerund
Menschenrechte
Notorisch, vorsätzlich, bar jeder Menschlichkeit bricht die BRD von
staatswegen also Völker- und Menschenrechte. Dabei hat sich auch
Deutschland internationalem Recht verpflichtet: „Die Staaten sind
verpflichtet, Individuen vor Folter und unmenschlicher Behandlung zu
schützen, im Falle einer hinreichend konkreten Gefahr der Verletzung
des Folterverbotes muss der jeweilige Staat aufgrund seiner
Gewährleistungspflicht aus der EMRK entsprechende Maßnahmen zur
Verhinderung von Folter ergreifen. Staatliches Eingreifen ist sowohl bei
einer Gefährdung durch staatliche als auch durch nichtstaatliche
Akteure gefordert. Die Schutzpflicht wird immer dann relevant, wenn
das physische Wohlbefinden und die körperliche Integrität einer Person
von staatlichen Maßnahmen abhängen, unabhängig davon, ob die
Gefährdung staatlich verursacht ist oder durch Private erfolgt. Neben
der reinen Schutzpflicht erwächst auch aus Art. 3 EMRK eine
Untersuchungs- und Ermittlungspflicht des Staates. Bei Bestehen eines
konkreten Verdachtes der Folter oder unmenschlicher Behandlung von
Seiten des Staates oder durch Private ist der Mitgliedstaat verpflichtet,
hinreichend effektive Ermittlungen einzuleiten und einen
entsprechenden organisatorischen Rahmen zu schaffen, der
unabhängige und schnelle Untersuchungen der Vorfälle ermöglicht.“7
Papier mag ja geduldig sein, erniedrigte und geknechtete Völker
aber wohl nicht – jedenfalls nicht auf Dauer!
1 Der Hinweis erreichte mich aus Österreich! Ich danke an dieser Stelle
nochmals für die wertvolle Zuarbeit.
2 http://www.unric.org/html/german/menschenrechte/UDHR_dt.pdf
3 Prof. Dr. Dr. Rainer Hofmann in: http://www.jura.unifrankfurt.
de/43680503/_-11-Menschenrechtsschutz.pdf
4 Die Jobcenter haben das Recht, die Kontobewegungen bei den
Banken abzufragen.
5 Leistungsberechtigte werden gezwungen, jede „zumutbare“ Arbeit
anzunehmen, auch wenn diese nicht ihren Qualifikationen und
Lebensplanungen entspricht. Des Weiteren besteht über die sog.
Residenzpflicht faktisch eine unzulässige Einschränkung der
Bewegungsfreiheit.
6 Im Falle einer Totalsanktion nach §§ 31, 32 SGB II werden keine
Beiträge an die Krankenkassen entrichtet, der Versicherungsschutz wird
demnach aufgehoben und eine medizinische Versorgung der
Erniedrigten ausgeschlossen.
7 Prof. Dr. Dr. Rainer Hofmann, a.a.o.
3. Hartz IV verletzt das Diskriminierungsverbot
Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) enthält in Art.
14 ein Diskriminierungsverbot. Danach ist es verboten, Menschen
wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der
Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen
oder sozialen Herkunft, der Zugehörigkeit zu einer nationalen
Minderheit, des Vermögens, der Geburt oder eines sonstigen Status die
Rechte und Freiheiten der Konvention vorzuenthalten oder
einzuschränken.
Mit dem Amsterdamer Vertrag1 wurde der Art. 13 EGV
(jetzt: Art. 19 AEUV 2) ergänzt, der den gemeinsamen Willen ausdrückt,
Diskriminierung aufgrund anderer Faktoren (Geschlecht, Rasse,
ethnische Herkunft, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter
oder sexuelle Ausrichtung) zu bekämpfen, also nicht
nur Rahmenbedingungen zu schaffen, sondern aktiv dagegen
vorzugehen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden,
dass sich der Schutz der Richtlinie 2000/78 vor Diskriminierung und
Belästigung wegen einer Behinderung nicht nur auf Menschen
beschränkt, die selbst eine Behinderung haben.
3.1. Europarechtliche Vorgaben
Die Europäische Menschenrechtskonvention enthält in Art. 14 ein
Diskriminierungsverbot. Danach ist es verboten, Menschen wegen des
Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion, der
politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen
Herkunft, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des
Vermögens, der Geburt oder eines sonstigen Status die Rechte und
Freiheiten der Konvention vorzuenthalten oder einzuschränken.
Um den Schutz vor Diskriminierungen effektiv zu gestalten, gebieten die
Richtlinien, bei Verstößen wirksame Sanktionen vorzusehen. Auch soll
ein effektiver Rechtsschutz gegen Diskriminierungen vorgesehen
werden, der etwa Beweiserleichterungen für denjenigen erfordern kann,
der sich in verbotener Weise diskriminiert sieht.4
3.2. EU-Grundrechtecharta
In der Grundrechtecharta 5 gibt es neben dem allgemeinen
Gleichheitsgebot des Artikel 20, der die Gleichheit vor dem Gesetz
garantiert, spezifische Diskriminierungsverbote in Artikel 21 und 23.
Artikel 21 enthält ein umfassendes Verbot der Diskriminierung
insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der
ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der
Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der politischen oder
sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen
Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters
oder der sexuellen Ausrichtung. Art. 23 verbürgt die Gleichheit von
Männern und Frauen und begründet zugleich ein Förderungsrecht für
das jeweils „unterrepräsentierte Geschlecht“.
3.3. Ausweitung des Antidiskriminierungsgebots
Die EU-Kommission hat sich entschlossen, Diskriminierung über den
Arbeitsmarkt hinaus auch im Bereich der Zurverfügungstellung von
Gütern und Dienstleistungen auszuweiten
Im Juli 2008 unterbreitete die Europäische Kommission einen Entwurf
für eine “Richtlinie des Rates zur Anwendung des Grundsatzes der
Gleichbehandlung ungeachtet der Religion oder der Weltanschauung,
einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung” vor, der
basierend auf den Richtlinien 2000/43/EG, 2000/78/EG und
2004/113/EG – insbesondere als Ergänzung der diesbezüglichen
Rechtsvorschriften im Bereich Beschäftigung − einen Schutz vor
Diskriminierung in den Bereichen Gesundheitsversorgung, Bildung,
Sozialversicherung und Wohnungswesen bieten soll. Er würde den
Diskriminierungsschutz für die darin angeführten Gründe jenem Niveau
angleichen, das mit der Antirassismus-Richtlinie 43/2000 für das
Merkmal ethnische Herkunft festgelegt wurde.
3.4. Diskriminierungsverbot der Bundesrepublik
Deutschland
Das Diskriminierungsverbot beschreibt das in Deutschland mehrfach
gesetzlich geregelte Verbot, gegenüber anderen Personen oder
Einrichtungen ein diese benachteiligendes Verhalten auszuüben, ohne
dass dafür ein sachlicher Grund vorliegt. Im bundesdeutschen Recht
werden (soziale) Diskriminierung, Ungleichbehandlung und
Differenzierung zum Teil synonym gebraucht
Im Kern wird dieses Gebot aus Art. 3 des Grundgesetzes 6 abgeleitet
und gilt für Staatshandeln. Ausgehend davon ist zwar jede staatliche
Diskriminierung verboten, sofern Abwehrrechte betroffen
sind, nicht aber jede private. Das Bundesarbeitsgericht hatte in seiner
Rechtsprechung schon seit jeher die Grundrechtsnormen im Verhältnis
Arbeitgeber-Arbeitnehmer unmittelbar angewandt.
Im Verlauf der Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland wurde das
Diskriminierungsverbot einfachgesetzlich auf Grund des Rufens der
Frauenbewegung und der EU-Verträge immer mehr auf das Verhältnis
zwischen Privaten ausgeweitet und in verschiedenen Rechtsgebieten
konkretisiert. Jüngstes Beispiel dafür ist das Allgemeine
Gleichbehandlungsgesetz (AGG), nach dem ein Arbeitgeber einzelne
Arbeitnehmer bei jeglichen Entscheidungen (Kündigungen, Weisungen,
beruflicher Aufstieg) nicht auf Grund ihres Geschlechts benachteiligen
darf. Das AGG wurde als Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben
eingeführt. Es soll ungerechtfertigte Benachteiligungen aus Gründen
der „Rasse“, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion,
Weltanschauung, von Behinderung, des Alters oder der sexuellen
Identität verhindern und beseitigen.
3.5. Hartz IV ist die Anleitung zur systematischen
Diskriminierung
Dagegen ließt sich die Praxis des Hartz-Systems wie eine Anleitung zur
Diskriminierung. Die unmittelbar Betroffenen werden in vielfacher Weise
ihrer verbrieften Rechte beraubt7, die nachfolgende stichwortartige
Aufzählung der Verstöße gegen das Diskriminierungsverbot kann ob
des Ausmaßes des etablierten Rechtsbruchs nicht einmal den
Anspruch auf Vollständigkeit erheben 8:
Menschliche Würde wird ihnen nicht zugestanden, trotz des
hehren Versprechens des Grundgesetzes, dessen grundlegendes
und unveräußerliches Axiom auf dem Papier doch immer noch
lautet: Die Würde des Menschen ist unantastbar!
Sie werden vom grundgesetzlich und mit Ewigkeitsgarantie
versehenem Prinzip der Sozialstaatlichkeit ausgeschlossen.
Der besondere Schutz von Ehe und Familie wird ihnen
vorenthalten, mit ständig drohenden Sanktionen dräut ihnen sogar
die Sippenhaft.
Das Recht auf Leben und auf körperliche wie seelische
Unversehrtheit wird ihnen abgestritten.
Ihnen wird das Recht auf freie Berufswahl und damit auch das
Recht auf eine freie Lebensgestaltung genommen.
Ihnen wird das Recht auf die freie Wahl des Wohnortes und des
Lebensmittelpunkt genommen.
Mit der sog. Präsenzpflicht wird ihre Bewegungsfreiheit auf ein
Minimum beschränkt.
Sie werden des Rechts auf Teilhabe am gesellschaftlichen und
kulturellen Leben beraubt.
Das Bankgeheimnis wird ihnen vorenthalten.
In der Summe werden die Vermaledeiten nicht nur aus der Mitte
der Gesellschaft ausgegrenzt und stigmatisiert, ihnen wird auch
jede Lebensperspektive genommen.
Dabei werden doch im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland in
dem Abschnitt „Der Bund und die Länder“ die wichtigsten
Staatsprinzipien benannt: Demokratie, Sozialstaat und die
Gesetzmäßigkeit der Staatsorgane sowie der Rechtsstaat. Nie zu
vergessen: Die in Artikel 1 (Menschenwürde) und Artikel 20 festgelegten
Grundsätze, also der Kern staatlicher Grundordnung und der
Grundrechte, dürfen in ihrem Wesensgehalt durch die
verfassungsändernde Gewalt nicht geändert werden (Art. 79 Abs. 3;
sog. Ewigkeitsklausel)!
Noch immer ist das Papier geduldig – wie lange will das
Volk noch ruhig bleiben!?
4. Hartz IV verletzt das Verbot von Sklaverei und
Zwangsarbeit
Grafik: International Labour Organisation
Auch wenn sich deutsche Gerichte bislang beharrlich weigern, die
Pflicht zur Aufnahme jeder „zumutbaren Arbeit“ und die damit
verbundene massenhafte Rekrutierung von Erwerbslosen in prekäre
Beschäftigungsformen als unzulässig zu werten, stehen doch höhere
Rechte wie das Völkerrecht, die Menschenrechte und das Grundgesetz
eindeutig dagegen.
4.1. Jede Arbeit grundsätzlich zumutbar?
Zu dieser Frage bezieht das Bundesministerium für Arbeit und Soziales
auf seiner „Informationsplattform SGBII – Jobcenter“ eindeutig Stellung:
„Arbeit ist grundsätzlich zumutbar, wenn der Hilfebedürftige dazu
geistig, seelisch und körperlich in der Lage ist. Niemand darf einen Job
ablehnen, weil er nicht der Ausbildung entspricht, der Arbeitsort weiter
entfernt ist als der frühere oder weil die Bedingungen subjektiv
ungünstig scheinen. Auch eine Entlohnung unterhalb des Tariflohns
oder des ortsüblichen Entgelts ist nicht von vornherein Grund zur
Ablehnung. Nicht zumutbar sind aber Arbeiten, die gegen die guten
Sitten verstoßen, z.B. weil die Bezahlung mehr als 30 Prozent unter
dem ortsüblichen Entgelt liegt. Nicht zumutbar sind auch Tätigkeiten,
die die Rückkehr in den früher ausgeübten Beruf erschweren, die Pflege
eines Angehörigen behindern oder die Erziehung eines Kindes
gefährden. Nicht gefährdet ist die Erziehung von Kindern ab drei
Jahren, die in einer Tageseinrichtung oder auf sonstige Weise betreut
werden.“1
Selbstredend stellt dieser Zwang zur Aufnahme „zumutbarer Arbeit“
schon nach dem Geiste des Gesetzes einen massiven Eingriff in die
Persönlichkeitsrechte der Leistungsberechtigten dar. Ihnen wird nicht
nur das Recht auf eine freie Lebensplanung genommen, sondern auch
das Recht der freien Berufswahl und das Anrecht auf eine
angemessene Entlohnung. Insbesondere das Diktat zu prekärer
Beschäftigung – das sich bei Weigerung in der „Bestrafung“, also dem
Entzug jeglicher Existensgrundlage durch angedrohte und tatsächlich
verfügte Sanktionen manifestiert – kommt der Heranziehung zur
Sklaverei und Zwangsarbeit gleich.2
4.2. Eindeutiges Verbot der Zwangs- und Pflichtarbeit
Als Zwangsarbeit wird eine Arbeit bezeichnet, zu der ein Mensch unter
Androhung einer Strafe oder eines sonstigen empfindlichen Übels
gegen seinen Willen gezwungen wird. Sie ist – mit verschwimmenden
Übergängen – die schärfste Form der Arbeitspflicht. (3)
Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO)4 definierte 1930 in Art. 2
Abs. 1 des Übereinkommens über Zwangs- und Pflichtarbeit die
Zwangsarbeit als unfreiwillige Arbeit oder Dienstleistung, die unter
Androhung einer Strafe ausgeübt wird. Nicht dazu gehören laut Abs. 2
des Übereinkommen: Militärdienst, übliche Bürgerpflichten, Arbeit im
Strafvollzug, notwendige Arbeit in Fällen höherer Gewalt und Arbeit, die
dem unmittelbaren Wohl der Gemeinschaft dient.5 Die ILO verbietet den
Einsatz von Zwangsarbeit
als Methode der Rekrutierung und Verwendung von Arbeitskräften
für Zwecke der wirtschaftlichen Entwicklung;
als Maßnahme der Arbeitsdisziplin;
als Maßnahme rassischer, sozialer, nationaler oder religiöser
Diskriminierung.
Über 90% der Vermittlungen durch die Jobcenter münden in prekärer
Beschäftigung (Leiharbeit, Mini-Jobs u.ä.) oder gar in
Zwangsmaßnahmen wie Bewerbungstrainings oder sogenannten
Arbeitsgelegenheiten. Keiner der Zwangsverpflichteten nimmt derartige
Arbeiten freiwillig auf, allenfalls sind es die blanke Not und die schiere
Panik vor o.g. Bestrafungen, die die Menschen dazu treibt!
4.3. Bundesregierung: Weiter so, trotz Rüge der Vereinten
Nationen
Eine klare Rüge, verbunden mit einer eindeutigen Aufforderung zur
Einhaltung der Völker- und der Menschenrechte handelte sich deshalb
die Bundesregierung bereits im Mai 2011 durch den „Ausschuss für
soziale, wirtschaftliche und kulturelle Rechte bei den Vereinten Nationen
(UN)“ ein. In dessen Protokoll der 46. Sitzung heißt es wörtlich: „Der
Ausschuss stellt mit Besorgnis fest, dass Regelungen im Rahmen der
Arbeitslosen- und Sozialhilfe des Vertragsstaates (der BRD, n.w.) –
einschließlich der Verpflichtung für Empfänger von Arbeitslosengeld,
“jede zumutbare Arbeit” anzunehmen, was in der Praxis fast als jede
Arbeit interpretiert werden kann – sowie der Einsatz von
Langzeitarbeitslosen zu unbezahlter gemeinnütziger Arbeit, zu
Vertragsverletzungen in Art. 6 und 7 führen könnten. (Art. 6, 7 und 97)“8
Und weiter heißt es dort: „Der Ausschuss fordert den Vertragsstaat
dazu auf, sicherzustellen, dass seine Systeme zur Arbeitslosenhilfe die
Rechte des Individuums zur freien Annahme einer Beschäftigung seiner
oder ihrer Wahl ebnen.“9
4.4. Nie wieder?
Einmal mehr wird mit dem SGB II also höheres Recht gebrochen,
vorsätzlich und gezielt durch nationale Normierungen erzwungen, die
nach internationalem (höherem!) Recht keine Gesetze sein dürfen. So
verbietet schon die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ aus
dem Jahre 1947 im Artikel 4 die Sklaverei und Leibeigenschaft.10 Auch
die Europäische Menschenrechtskonvention verbietet Sklavenarbeit
und Leibeigenschaft und untersagt jede Zwangs- und Pflichtarbeit.11
Aber selbst nationales Recht ist das Papier nicht wert, auf dem es
steht. Auch das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland (GG)
garantiert die uneingeschränkte Berufsfreiheit und verbietet jede Form
der Zwangsarbeit.12 Warum es schon wieder deutsche Gerichte sind,
die trotz der leidvollen Erfahrungen mit der Nazi-Diktatur beharrlich das
Völkerrecht ignorieren, erschließt sich wohl allein der Logik der
„rechtsprechenden“ Richterinnen und Richter.
Gesetzliche Grundlagen sind die §§ 31, 32 SGB II
Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) ist eine Sonderorganisation
der Vereinten Nationen mit Hauptsitz in Genf.
Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte
vom 19. Dezember 1966; vgl. hierzu: Sanktionsmoratorium.
Art. 12 GG: (1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und
Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch
Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden. (2) Niemand
darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen
einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen
Dienstleistungspflicht.
5. Während die Mühlen langsam mahlen…
In der Diskussion um die Sanktionspraxis im SGB II halten mir
zahlreiche Juristen gebetsmühlen-artig1 entgegen, dass diese wohl
rechtens sei, schließlich habe das Bundesverfassungsgericht (BverfG)
hierzu noch kein Urteil gesprochen. Als juristischer Laie erschließt sich
mir diese spezifische Logik nicht – trotz andauernder und ernsthafter
Bemühungen.
Wie dem auch sei, sollten alle Verfechter des Sozialstaates keine
Möglichkeit auslassen, den fortlaufenden uns systematischen
Rechtsbruch, verübt im Regierungsauftrag, vor ein Tribunal zu bringen
und auf die Vereinbarkeit mit geltendem Recht überprüfen zu lassen.
Dabei kommt es darauf an, alle Energien und Ressourcen auf einen
erfolgversprechenden Weg zu konzentrieren, einen Weg, der ein
möglichst zeitiges Ergebnis ermöglicht. Meines Erachtens sollte die
politische „Elite“ (oder die, die sich dafür hält) noch vor der
Bundestagswahl am 22.09.2013 unter erheblichen Druck gesetzt und
zu einer Kurskorrektur ermuntert werden. Betrachten wir dazu zunächst
einmal die denkbaren Klagewege und die Verfahren, die jeweils
zwingend vorgeschrieben sind.
5.1. Rechtsmittel gegen einen Verwaltungsakt
Der übliche und bekannteste Weg Rechtsmittel gegen einen
streitigenVerwaltungsakt einzulegen ist zunächst der formale
Widerspruch.2 Dieser Widerspruch wird sodann durch eine sog.
Widerspruchsstelle bearbeitet, wir hören zunehmend davon, dass diese
in Personalunion mit den Bescheidern besetzt sind. So wird der Bock
zum Gärtner gemacht, was davon aus Sicht der Judikative zu halten ist,
habe ich bereits im ersten Teil dieser Serie ausgeführt. Wird dem
Widerspruch nicht abbeholfen (Amtsdeutsch für abgelehnt), ist der
Klageweg vor einem ordentlichen Gericht eröffnet. Achtung: Für
Streitigkeiten im SGB II hat ein Widerspruch keine aufschiebende
Wirkung, das heißt, er setzt den Bescheid nicht bis zur (gerichtlichen)
Klärung aus!
5.1.1. Lassen Sie sich engagiert und kompetent vertreten!
Ab jetzt ist die Vertretung durch einen engagierten und kompetenten
Fachanwalt für Sozialrecht und/oder Verwaltungsrecht dringend zu
empfehlen. Die Kolleginnen und Kollegen der juristischen Fakultät
mögen es mir nachsehen, dass Erfahrungen aus dem Verkehrs- oder
auch Ordnungswidrigkeitenrecht für die nun anstehenden Verfahren nur
selten ausreichen.
5.2. Dies Sozialgerichtsbarkeit
Die Sozialgerichtsbarkeit ist die in Angelegenheiten
des Sozialrechts tätig werdende Gerichtsbarkeit. Die
Sozialgerichtsbarkeit ist dreistufig aufgebaut. Die erste Instanz ist
grundsätzlich das Sozialgericht (SG), Berufungsund
Beschwerdeinstanz das Landessozialgericht (LSG) in den
jeweiligen Bundesländer und Revisionssowie
Rechtsbeschwerdeinstanz das Bundessozialgericht (BSG) mit
Sitz in Kassel. Die Sozialgerichtsbarkeit ist von
der Arbeitsgerichtsbarkeit und
der Verwaltungsgerichtsbarkeit abzugrenzen. Die Abgrenzung erfolgt
nach dem Rahmen der Zuständigkeit. Derzeit bestehen 68 Sozial-, 14
Landessozial- und ein Bundessozialgericht. (…)
Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist geprägt
vom Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103, § 106 SGG). Das Gericht hat
den Sachverhalt, jedenfalls soweit er streitig ist, von Amts wegen zu
erforschen. In der ersten Instanz schließt sich an die Klageerhebung in
der Regel ein schriftliches Verfahren an, innerhalb dessen die
vorbereitenden Ermittlungen stattfinden (Einholung von Gutachten,
gelegentlich auch schon Zeugenvernehmungen). In diesem
Verfahrensstadium wirken die ehrenamtlichen Richter nicht mit. Die
Ermittlungen sollen so weit vorangetrieben werden, dass der
Rechtsstreit in einer einzigen mündlichen Verhandlung erledigt werden
kann. Die mündliche Verhandlung stellt den Regelfall dar; daneben kann
der Rechtsstreit unter bestimmten Voraussetzungen aber auch durch
schriftliche Entscheidungen oderGerichtsbescheide ohne vorherige
mündliche Verhandlung beendet werden. Abweichend zum Zivilprozess
ist in der Sozialgerichtsbarkeit auch nicht der Grundsatz der formellen
Wahrheit, sondern derjenige der materiellen
Wahrheit verfahrensgestaltend. Jedoch existiert auch im
sozialgerichtlichen Verfahren die objektive Beweislast. Weiterer
Verfahrensgrundsatz der Sozialgerichtsbarkeit ist derjenige der
Klägerfreundlichkeit. Neben grundsätzlicher Kostenfreiheit besteht
beispielsweise kein Vertretungszwang. Bis zur Neufassung des § 92
SGG am 1. April 2008[8]war auch, wiederum gegensätzlich zum
Zivilprozess und auch zum Verwaltungsprozess, es nicht erforderlich
einen bestimmten Antrag zu stellen (…).
Als Rechtsmittel stehen Berufung und Revision zur Verfügung. Als
Berufungsgericht fungieren die Landessozialgerichte, als
Revisionsgericht das Bundessozialgericht.“3
5.3. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit
Die Verwaltungsgerichtsbarkeit ist der Zweig der
deutschen Gerichtsbarkeit, der der gerichtlichen Kontrolle des
Verwaltungshandelns dient. Die auf der Grundlage
von Art. 95 des Grundgesetzes eingerichteten Verwaltungsgerichte
gewährleisten in ihrem Zuständigkeitsbereich die vonArt. 19 Abs. 4 GG
verlangte Überprüfbarkeit sämtlicher öffentlicher Akte. In
erster Instanz sind in der Regel die Verwaltungsgerichte zuständig
(§ 45 VwGO). In den meisten Ländern ist je Regierungsbezirk ein
Verwaltungsgericht eingerichtet. Da im 17. Jahrhundert die
Verwaltungsgerichte nicht mit unabhängigen Richtern, sondern
mit Beamten besetzt waren, hat sich die historische
Bezeichnung außerordentliche Gerichtsbarkeit erhalten. Diese
Unterscheidung hat jedoch keine Bedeutung mehr,
da Art. 92, Art. 97 GG jede Rechtsprechung persönlich und sachlich
unabhängigen Richtern zuweist. (…)
(Auch) die Verwaltungsgerichtsbarkeit ist dreistufig aufgebaut. Für die
meisten verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist als erste Instanz
das Verwaltungsgericht zuständig. Berufungsund
Beschwerdeinstanz der Verwaltungsgerichte sind
die Oberverwaltungsgerichte (OVG) bzw.Verwaltungsgerichtshöfe (VGH)
der Bundesländer. Jedes Bundesland hat mittlerweile ein OVG oder
einen VGH, das oder der – außer in Bayern, Sachsen-Anhalt und
den Stadtstaaten - seinen Sitz nicht in der Landeshauptstadt hat, um
die Unabhängigkeit von der Verwaltung auch räumlich zu verdeutlichen
(Zur Liste der Sitze vgl. Oberverwaltungsgericht). Schleswig-Holstein
etwa hat erst 1991 ein eigenes OVG eingerichtet; bis dahin war
das OVG Lüneburg in Niedersachsen gem. § 3 Abs. 2 VwGO auch für
das Land Schleswig-Holstein zuständig.
Die Oberverwaltungsgerichte sind
bei Normenkontrollen von Satzungen,
landesrechtlichen Vereinsverboten und Genehmigungen von
technischen oder verkehrlichen Großprojekten erste Instanz
(§ 47 VwGO).
Revisions- und Rechtsbeschwerdeinstanz ist
das Bundesverwaltungsgericht mit Sitz in Leipzig. Auch das
Bundesverwaltungsgericht kann bei Streitigkeiten der
Versicherungsaufsicht und übrigen nichtverfassungsrechtlichen
Streitigkeiten zwischen Bund und Ländern erste Instanz sein.4
5.4. Die Verfassungsgerichtsbarkeit
Die Verfassungsgerichtsbarkeit prüft die Vereinbarkeit oder
Verfassungsmäßigkeit von Hoheitsakten, insbesondere Gesetzen, mit
der jeweiligen Verfassung. Sie hat dabei die Möglichkeit, solche Akte
als verfassungswidrig zu erklären. Die Folgen einer solchen Erklärung
sind vom jeweiligen Rechtskreis abhängig. (…) Die Rechtsfolgen der
Feststellung der Verfassungswidrigkeit eines Rechtsakts sind ebenfalls
von Land zu Land unterschiedlich.
Die Wirkung der Feststellung der Verfassungswidrigkeit tritt teils von
Rechts wegen ein, ohne dass es einer besonderen Anordnung des
Verfassungsgerichts bedarf. In einigen Staaten ist das Gesetz ab dem
Zeitpunkt des verfassungsgerichtlichen Urteils unwirksam, d. h.
Gerichte und Verwaltung dürfen das Gesetz nicht mehr anwenden, und
der Gesetzgeber wird innerhalb einer Frist zur Neuregelung verpflichtet
(Spanien). In den meisten Staaten wird das Gesetz dann rückwirkend
für nichtig befunden, d. h. auch bereits ergangene, auf ihm beruhende
Entscheidungen, z. B. von Strafgerichten, werden aufgehoben (Italien,
Griechenland, USA).
Manche Verfassungsgerichte können die Rechtsfolge selbst festlegen
(Belgien, Deutschland, Portugal); in diesen Fällen kann das
Verfassungsgericht die Unwirksamkeit ab dem Zeitpunkt des Urteils
oder die rückwirkende Nichtigkeit anordnen, aber auch die gegenüber
der Nichtigkeit des Gesetzes mildere Rechtsfolge, dass der
Gesetzgeber zur Neuregelung verpflichtet wird, das Gesetz aber bis
dahin weiter angewendet werden darf (sog. Appel-Entscheidung). (…)
Nur in einem Teil der Länder können von einem Gesetz unmittelbar
Betroffene direkt Verfassungsbeschwerde erheben (Belgien,
Deutschland, Lettland, Österreich, Polen, Portugal, Slowenien, Spanien,
Tschechien und Ungarn). In anderen Ländern ist die
Verfassungsbeschwerde nur gegen Gerichtsurteile möglich; es muss
dann erst Rechtsschutz vor den allgemeinen Gerichten gesucht werden
(Dänemark, Estland, Finnland, Griechenland, Italien, Irland, Litauen,
Niederlande, Norwegen, Schweiz, Schweden, USA).
Während in Deutschland und anderen Ländern grundsätzlich beide
Wege (Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen ein Gesetz oder
Verfassungsbeschwerde gegen Urteil) möglich sind, ist in Österreich die
Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit von Urteilen nicht möglich; das
Verfassungsgericht entscheidet also nur über Rechtsakte der anderen
Gewalten, nicht über Akte der Judikative. In wenigen Fällen können alle
Bürger auch ohne eigene Betroffenheit Verfassungsbeschwerde gegen
ein Gesetz einlegen (Slowenien, Ungarn, in Deutschland nur in Bayern);
man spricht hier von einer verfassungsgerichtlichen Popularklage.5
5.5. Tag ein Tag aus wird millionenfach gelitten, gehungert
und zunehmend auch gestorben!
Die hier aufgezeigten Möglichkeiten, das SGB II höchstrichterlich
überprüfen zu lassen, sind allesamt mit großem zeitlichen, aber auch
finanziellem Aufwand verbunden. Alle Erfahrungen zeigen, dass wir von
Zeitläufen von mindestens fünf Jahren ausgehen müssen. Bis dahin
wird jedoch Tag ein Tag aus millionenfach gelitten, gehungert und
zunehmend auch gestorben. Bislang ist es noch in keinem Verfahren
gelungen, eine Entscheidung vor dem Bundesverfassungsgericht zu
erzwingen. Wir müssen uns auf die Suche nach kürzeren und
effektiveren Wegen machen, um dem Unrecht Einhalt zu gebieten!
In Teil 6 der Serie “Hartz IV verstößt gegen internationales und
nationales Recht” werden weitere Möglichkeiten vor den nationalen
Gerichten sowie die Klagewege vor internationalen Tribunalen
aufgezeigt.
1 Das ist jetzt ausdrücklich kein Verschreiber!
2 Einen Widerspruch kann jeder Betroffene auch ohne anwaltliche
Unterstützung einlegen. Dazu reicht ein formloses Schreiben an die
bescheidende Behörde, es empfiehlt sich eine Begründung, die sich
ausschließlich (!) auf den erkannten Rechtsverstoß konzentriert. Ganz
wichtig ist es dabei, die Frist zu wahren, diese muss sich aus dem
Bescheid ergeben. Nur mit dem Verweis darauf, ist ein Bescheid
rechtskräftig, anderenfalls greift er per se nicht. Zur Fristwahrung reicht
auch ein rechtzeitiges Schreiben „Ich erhebe Widerspruch gegen den
Bescheid vom…AZ: „xy”, die Begründung sollte dann aber zeitnah
nachgereicht werden.
In der vorangegangenen Folge dieser Serie haben wir die Möglichkeiten
einer Individualklage vor der deutschen Gerichtsbarkeit erörtert. Es
bieten sich weitere Klagewege an, die von juristischen Personen
(Organisationen, Verbände u.ä.) beschritten werden könnten. Diese
sollen nachfolgend aufgezeigt werden, der Vollständigkeit halber und
um eine Einschätzung der Erfolgsaussichten dieser Formen der
Gegenwehr zu ermöglichen. Anschließend wollen wir uns auf die
Möglichkeiten konzentrieren, internationale Tribunale anzurufen.
Vorweg sei hier noch angemerkt, dass auch im Zuge einer
Individualklage (auf dem Weg durch die Instanzen) ein Anrufen des
Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) möglich wäre. Derartige
Verfahren könnten grundsätzlich – vorausgesetzt einer begründeten
Verdachts auf Verletzungen des Grundgesetzes – durch das Gerichte
ausgesetzt und zur Überprüfung an das BVerfG weitergeleitet werden.
Dieser Weg wäre aber immer einer Entscheidung des zuständigen
Gerichts vorbehalten, bislang hat sich nach unserem Kenntnisstand
noch kein Richter dazu durchringen können.
6.1. Der Organstreit
Mit dem Rechtsbegriff Organstreit oder Organstreitigkeit werden
im öffentlichen
Recht in Deutschland verfassungsrechtliche Streitigkeiten über den
Umfang der Rechte und Pflichten oberster Verfassungsorgane oder
ihrer Mitglieder bezeichnet. Bei einem Organstreit handelt es sich um
die Frage der Rechtmäßigkeit von Maßnahmen, die organisatorische
Wirkungen zwischen Verfassungsorganen oder auch nur ihren
Mitgliedern betreffen. Es gibt vergleichbare Streitigkeiten auf allen
Ebenen der Organe der öffentlich-rechtlichen Körperschaften, bis hin
zum Kommunalverfassungsstreit.(…)
Das Organstreitverfahren hat seine Grundlage im
Gewaltenteilungsprinzip und im Minderheitenschutz. Allerdings sind
Organstreitverfahren wegen der parteipolitischen Verbindungen eher
selten. Der Minderheitenschutz spielt hingegen eine erhebliche Rolle.
Durch das Organstreitverfahren hat die Opposition die Möglichkeit, ihre
Minderheitsrechte vor dem
deutschen Bundesverfassungsgericht geltend zu machen und
durchzusetzen. Das Organstreitverfahren ist in Art. 93 Abs. 1
Nr. 1 GG genannt und in § 13 Nr. 5, §§ 63 ff. BVerfGG konkretisiert.(…)
Um vor dem Bundesverfassungsgericht im Rahmen eines
Organstreitverfahrens klagen zu können, müssen bestimmte
Voraussetzungen erfüllt sein. Die Voraussetzungen für
Organstreitigkeiten vor den Verfassungsgerichten der Länder sind
weitgehend vergleichbar: Antragsberechtigt sind oberste
Bundesorgane im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG. Dazu zählen der
Bundespräsident, der Bundestag, Bundesrat und die Bundesregierung
sowie die gemeinsamen Ausschüsse (Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG
i.V.m. § 13 Nr. 5, § 63 BverfGG).
Antragsberechtigt sind auch Teile dieser Organe, sofern sie
unter „andere Beteiligte“ im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG fallen.
Organteile können etwa der Bundestagspräsident,
der einzelne Abgeordnete (als Teil des
Organs Bundestag), Bundesminister (In-Sich-Streit zwischen einzelnen
Bundesministern ist unzulässig), Fraktionen sowie politische
Parteien, sofern diese in ihrer (organschaftlichen) Stellung als
Mitwirkende am Verfassungsleben betroffen sind, sein.
Ein zulässiger Antrag liegt nach diesem Kriterium nur dann vor, wenn
der Antragssteller die Verletzung eigener, aus der Verfassung
herleitbarer Rechte hinreichend geltend macht. An dieser Stelle wird
jedoch nur festgestellt, ob ein solches Recht verletzt
sein könnte (Möglichkeitstheorie). Die konkrete Frage, ob die Verletzung
tatsächlich vorliegt, wird im Rahmen der Begründetheit geklärt.1
Die Möglichkeiten, das Hartz-System über den Weg eines Organstreites
anzugreifen, waren bis heute (nach immerhin 58 Gesetzesänderungen
seit Inkrafttreten im Jahre 2005) verbaut. An dieser Stelle hat die
Bundesregierung als Initiator der Gesetzgebungsverfahren
offensichtlich „sauber“ gearbeitet und den politischen Widersachern
bislang keine Angriffsfläche geboten.
6.2. Die Verbandsklage
Als Verbandsklage wird die Klage
von Vereinen oder Verbänden bezeichnet, mit der diese nicht die
Verletzung eigener Rechte geltend machen, sondern die der
Allgemeinheit. Im deutschen Recht gibt es mittlerweile in den
verschiedenen Rechtsgebieten unterschiedlich ausgeprägte
Möglichkeiten, eine Verbandsklage zu erheben.
Besondere Bedeutung kommt Verbandsklagen im Umweltrecht zu.
Grundsätzlich liegt dem deutschen Verwaltungsprozessrecht das
System des Individualrechtsschutzes zugrunde. Nach § 42 Abs.
2 VwGO ist nur derjenige klagebefugt, der geltend macht, durch den
Verwaltungsakt in eigenen Rechten (subjektiv-öffentliches Recht)
verletzt zu sein.2
Aber auch in sozialrechtlichen Streitfällen könnte die Verbandsklage das
Mittel der Wahl sein. „Das Gesetz zur Gleichstellung behinderter
Menschen enthält in § 13 BGG ein Verbandsklagerecht, nachdem ein
anerkannter Behindertenschutzverband Klage nach Maßgabe der
Verwaltungsgerichtsordnung oder des Sozialgerichtsgesetzes erheben
kann auf Feststellung eines Verstoßes gegen bestimmte
behindertenschutzrechtliche Vorschriften.“3
Behinderte Menschen sind in den Fängen des Hartz-System häufig
einer besonderen Entwürdigung und nicht selten erschreckender
Diskriminierungen ausgesetzt. Hier wären nun die Verbände gefragt, die
sich dem Schutz Behinderter verschrieben haben. Es wäre zu
begrüßen, wenn diese Organisationen die Möglichkeiten dieses
Rechtsweges noch einmal ernsthaft prüfen würden.
6. 3. Die Normenkontrolle
Als Normenkontrolle bezeichnet man die Überprüfung von
Rechtsnormen daraufhin, ob sie mit höherrangigem Recht vereinbar
sind. Normenkontrollen werden von Gerichten vorgenommen und sind
geschichtlich aus dem Richterlichen Prüfungsrecht hervorgegangen.
Die Befugnis von Gerichten, Rechtsnormen auf ihre Vereinbarkeit
mit höherrangigem Recht zu überprüfen, und die niederrangigen
Normen im Falle der Nicht-Vereinbarkeit für nichtig zu erklären wird als
Normenkontrollkompetenz bezeichnet.
In Deutschland ist die Normenkontrolle von nachkonstitutionellen (d.h.
nach Erlass der jeweiligen Verfassung verabschiedeten), formellen (d.h.
typischerweise vom Parlament verabschiedeten) Gesetzen
grundsätzlich der Verfassungsgerichtsbarkeit vorbehalten
(vgl. Art. 100 Abs. 1 GG). Das jeweilige Verfassungsgericht
(Bundesverfassungsgericht oder Verfassungsgericht des Landes)
überprüft in den Verfahren der abstrakten oder konkreten
Normenkontrolle das Gesetz auf die Verfassungsmäßigkeit. Außerdem
überprüft das Bundesverfassungsgericht (und je nach Landesrecht das
Landesverfassungsgericht) im Rahmen
von Verfassungsbeschwerden auch die Verfassungsmäßigkeit von
Gesetzen, entweder weil das Gesetz als Eingriffsermächtigung inzident
geprüft wird oder weil die Verfassungsbeschwerde direkt gegen ein
belastendes Gesetz (prinzipal) gerichtet ist.(…)
Bei der abstrakten Normenkontrolle vor
dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) kann die Bundesregierung per
Kabinettsbeschluss, eine Landesregierung oder ein Viertel der
Mitglieder des Bundestages einen Antrag gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr.
2 Grundgesetz in Verbindung mit § 13 Nr. 6BVerfGG an das
Bundesverfassungsgericht stellen. Prüfungsgegenstand ist jede
Rechtsnorm mit Außenrechtsgehalt (daher ist keine Überprüfung
von Verwaltungsvorschriften möglich), die mit Ausnahme
von völkerrechtlichen Verträgen bereits verkündet wurde.
Nach § 76 Abs. 1 BVerfGG muss der Antragssteller das angegriffene
Recht für nichtig halten, Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG spricht jedoch von
Zweifeln. Insoweit ist umstritten, ob die im Grundgesetz geforderten
„Zweifel“ dem „für nichtig halten“ vorgehen. (…)
Bei der konkreten Normenkontrolle legt ein erkennendes Gericht gemäß
Art. 100 GG, § 13 Nr. 11 BVerfGG dem Bundesverfassungsgericht ein
Parlamentsgesetz zur Prüfung vor. Voraussetzung ist, dass es im zu
entscheidenden Fall auf die Verfassungsmäßigkeit eines
nachkonstitutionellen Gesetzes ankommt und das erkennende Gericht
von der Unvereinbarkeit des Gesetzes mit der Verfassung überzeugt ist.
Es trifft dann einen Vorlagebeschluss und setzt das Verfahren bis zur
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus. Untergesetzliche
Rechtsnormen kann und muss das Fachgericht, wenn es von ihrer
Verfassungswidrigkeit überzeugt ist, ohne Vorlage selbst unangewendet
lassen.4
In 2010 brachte das Bundessozialgerichts eine Normenkontrolle auf
den Weg, die sich auf die mögliche Verfassungswidrigkeit der
Festsetzung der Regelsätze im SGB II stützte. Mit Erfolg: Unter Vorsitz
des damaligen Präsidenten des BverfG, Hans-Jürgen Papier, wurde ein
Urteil verkündet (Az.: 1 BvL 1/09; 1 BvL 3/09; 1 BvL 4/09). Nach Ansicht
des ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) in
Karlsruhe war die Berechnung der Regelsätze als verfassungswidrig
eingestuft worden. Die Bundesregierung musste daraufhin die
Berechnung neu festsetzen. 5
6.4. Mögliche Klagen vor internationalen Tribunalen
Erfolgversprechende Klagemöglichkeiten vor internationalen Tribunalen
bieten sich vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) sowie vor dem
Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Zwar wurde in
den letzten Tagen von einem angestrebten Verfahren vor dem
Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) berichtet, dieser Versuch dürfte
jedoch untauglich und damit wenig erfolgversprechend sein. Schließlich
ist es die originäre Aufgabe des ISTGH, Verbrechen gegen die
Menschlichkeit (Kriegsverbrechen und ähnliche Gräueltaten) zu ahnden,
von einer derartigen Qualität der Rechtsverstöße im SGB II kann aber
nicht ernsthaft die Rede sein.
6.4.1. Der Europäische Gerichtshof
Der europäische Gerichtshof (EuGH) ist das
oberste rechtsprechende Organ der Europäischen Union (EU). Nach
Art. 19 Abs. 1 Satz 2 EUV sichert er „die Wahrung des Rechts bei der
Auslegung und Anwendung der Verträge“. Zusammen mit dem Gericht
der Europäischen Union und dem Gericht für den öffentlichen Dienst
der Europäischen Union bildet er das Gerichtssystem der Europäischen
Union, das im politischen System der Europäischen Union die Rolle
der Judikative einnimmt. (…)
Für Klagen der Europäischen
Kommission (v. a. Vertragsverletzungsverfahren), Klagen anderer
Organe der Europäischen Union oder der Mitgliedstaaten, die nicht
gegen die Kommission gerichtet sind, sowie für die Entscheidungen im
Vorabentscheidungsverfahren ist der EuGH allein zuständig.
6.4.1.1. Vertragsverletzungsverfahren
Die Europäische Kommission kann einen Mitgliedstaat − nach einem
Vorverfahren − vor dem EuGH verklagen. Der EuGH prüft dann, ob ein
Mitgliedstaat seinen sich aus dem Vertrag über die Arbeitsweise der
Europäischen Union ergebenden Verpflichtungen nicht nachgekommen
ist. Dem EuGH wird eine Klageschrift zugestellt, die teilweise
im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht und dem Beklagten
zugestellt wird. Je nach Fall kommt es zu einer Beweisaufnahme und
einer mündlichen Verhandlung. Im Anschluss daran gibt
der Generalanwalt seine Schlussanträge ab. Darin macht er einen
Urteilsvorschlag, an den der EuGH jedoch nicht gebunden ist.
Gemäß Art. 259 AEU-Vertrag kann auch ein Mitgliedstaat gegen einen
anderen vor dem EuGH (nach einem Vorverfahren durch Einschaltung
der Kommission, Art. 259 Abs. 2 bis 4 AEU-Vertrag) vorgehen.
6.4.1.2. Vorabentscheidungsverfahren
Die nationalen Gerichte können bzw. müssen, soweit es sich um die
letzte Instanz (zum Beispiel Bundesfinanzhof, Bundesgerichtshof)
handelt, dem EuGH Fragen hinsichtlich der Auslegung des Rechts der
Europäischen Union vorlegen. Außerdem können sie überprüfen lassen,
ob ein europäischer Gesetzgebungsakt gültig ist. Dies soll in
besonderem Maße die einheitliche Anwendung des Rechts der
Europäischen Union durch die nationalen Gerichte, die für dessen
Durchsetzung zu sorgen haben, sicherstellen. Das nationale Gericht
muss in seiner Verhandlung auf die Auslegung bzw. Gültigkeit des
Rechts der Europäischen Union angewiesen sein (sie muss
entscheidungserheblich sein und die Auslegung darf nicht bereits
geklärt sein), um eine Frage vorlegen zu dürfen. Es unterbricht dabei
sein Verfahren bis zur Antwort des EuGH. Die vorgelegte Frage wird
zunächst in alle Amtssprachen übersetzt und im Amtsblatt
bekanntgegeben. Dies gibt den beteiligten Parteien, sämtlichen
Mitgliedstaaten und den Organen der Europäischen Union die
Möglichkeit, Stellungnahmen abzugeben. Wiederum folgen i. d. R. eine
mündliche Verhandlung sowie Schlussanträge des Generalanwalts,
bevor es zu einem Urteilsspruch kommt. Das vorlegende Gericht (und
andere Gerichte in ähnlichen Fällen) sind an das Urteil des EuGH
gebunden.
6.4.2. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ist ein auf
Grundlage der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK)
eingerichteter Gerichtshof mit Sitz im französischen Straßburg, der Akte
der Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung in Bezug auf die
Verletzung der Konvention in allen Unterzeichnerstaaten überprüft. Der
EMRK sind alle 47 Mitglieder des Europarats beigetreten. Daher
unterstehen mit Ausnahme von Weißrussland und dem Vatikanstaat
sämtliche international anerkannten europäischen Staaten
einschließlich Russlands, der Türkei, Zyperns und der drei
Kaukasusrepubliken Armenien, Aserbaidschan und Georgien der
Jurisdiktion des EGMR. Jeder kann mit der Behauptung, von einem
dieser Staaten in einem Recht aus der Konvention verletzt worden zu
sein, den EGMR anrufen.(…)
Neben dem Staatenbeschwerdeverfahren und dem Gutachtenverfahren
sieht die EMRK auch ein Individualbeschwerdeverfahren vor. Dieses
Verfahren setzt aber zwingend die sogenannte Rechtswegerschöpfung
voraus, das heißt, es muss zunächst der innerstaatliche Instanzenzug
durchlaufen werden und es dürfen keine Rechtsbehelfe auf nationaler
Ebene verbleiben. In Deutschland fällt darunter auch das Verfahren vor
dem Bundesverfassungsgericht.7
Die Urteile des EGMR sind für die Mitgliedstaaten bindend, sie müssen
zwingend befolgt werden. Aber auch hierzu wäre ein langer Weg durch
die Instanzen zu beschreiten. Ein zu langer Weg, angesichts der täglich
wachsenden Ausgrenzung und Verelendung von Millionen Bürgerinnen
und Bürgern. In der letzten Folgen dieser Serie werden wir deshalb
außergerichtliche Wege erörtern, die die Bundesregierung zu
Kurskorrekturen und damit zur Einhaltung anerkannter Rechtsnormen
animieren könnte.
7. Die Beschwerde bei der Europäischen Kommission
In den letzten Tagen haben wir in dieser Serie die Rechtsverstöße, die
in der Systematik der Agenda 2010 vorsätzlich gewollt und zielgerichtet
durch die Gesetzgebungsorgane (Bundestag, Bundesrat, aber auch
jeder zustimmende Abgeordnete) angelegt sind, aufgezeigt. Wir haben
auch die gerichtlichen Wege erörtert, die diesem Unrechtssystem
entgegen wirken könnten. An dieser Stelle sind die Möglichkeiten
ausgeschöpft, angesichts der aufwendigen und mühseligen Verfahren
könnten wir meinen, mit unserem Latein nun am Ende zu sein. Aber
aufgepasst, es tut sich eine weitere Chance auf, die Bundesregierung
doch noch in ihre Schranken zu verweisen.
Dafür schauen wir erneut nach Europa, genauer gesagt auf den Auftrag
der Europäischen Kommission. Schließlich ist dieses Organ
supranationaler Natur, die EU-Kommission erhebt sich geradezu über
die nationalen Vertretungen der Mitgliedstaaten. „Im politischen System
der EU nimmt sie vor allem Aufgaben der Exekutive wahr und entspricht
damit ungefähr der Regierung in einem nationalstaatlichen System. Sie
hat jedoch auch noch weitere Funktionen, insbesondere besitzt sie das
alleinige Initiativrecht für die EU-Rechtsetzung. Als „Hüterin der
Verträge“ überwacht sie die Einhaltung des Europarechts durch die EUMitgliedstaaten
und kann gegebenenfalls Klage beim Europäischen
Gerichtshof erheben“.1
Alle Unionsbürger können gemeinsam mit anderen direkt die EUKommission
auffordern, ein Gesetz auf europäischer Ebene
vorzuschlagen. Der Vertrag von Lissabon hat die direkte Mitsprache der
Bürger rechtlich verankert. Mit dem Aufforderungsrecht stehen alle
Bürger auf einer Stufe mit dem Rat der Europäischen Union und dem
Europäischen Parlament.2
7.1. Einreichen einer Individualbeschwerde
„Jede Person kann bei der Europäischen Kommission eine Beschwerde
über einen Mitgliedstaat einreichen, um eine Maßnahme (gesetzliche
Regelung, Vorschrift oder Verwaltung) oder eine Praxis, die einem
Mitgliedstaat anzulasten ist, anzuzeigen, wenn diese Person der
Auffassung ist, dass die Maßnahme oder Praxis gegen eine
Bestimmung oder einen Grundsatz des Unionsrechts verstößt“. 3 Jeder
von uns findet hier also eine probate Möglichkeit, sich gegen nationales
Unrecht zu wehren, auf einer höheren, internationalen Ebene.
7.1.2. Das Beschwerdeverfahren
Angerufen werden kann die EU-Kommission mit einem formlosen
Schreiben oder einer Email, im Internet finden sich aber auch
Formblätter, die einen guten Leitfaden für die Beschwerde bieten.4
Nach geltendem Europarecht ist die Kommission nun gezwungen,
einen amtlichen Vorgang zu eröffnen, es wird ein Aktenzeichen
vergeben und eine Akte angelegt. Wer von uns schon Erfahrungen mit
der Bürokratie hat, der wird wissen, dass derartige Akten auch
konsequent gefüllt werden.
Dazu tritt die Kommission in ein Vorermittlungsverfahren ein, das heißt
in unserem Falle, dass die Bundesregierung unter einer kurzen
Fristsetzung aufgefordert wird, zu den eingereichten Vorwürfen Stellung
zu beziehen. Sollten die Stellungnahmen nicht befriedigend, nicht
umfassend und eindeutig sein, wird die Kommission nachhaken, keine
Regierung kann sich nunmehr dem Vorgang entziehen. Sollten sich die
Vorwürfe erhärten, ist die EU-Kommission gezwungen, Klage beim
Europäischen Gerichtshof (EUGH) zu erheben und zwar auf direktem
Wege, ohne Einhaltung der nationalen Instanzenwege. Wertvolle Zeit
wird so gewonnen, Zeit die Menschenleben retten kann. Das gesamte
Beschwerdeverfahren vor der Kommission darf nach geltendem Recht
nicht länger als zwölf Monate dauern, danach muss die Eingabe
entweder zurückgewiesen, oder aber besagte Klage erhoben werden.
7.2. Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EUGH)
Nach Abschluss des nun folgenden Hauptverfahrens wird der EUGH
Recht sprechen, in unserem Falle idealerweise die Bundesregierung
wegen Verstoßes gegen die EU-Verträge verurteilen. Ein solches Urteil
beinhaltet regelmäßig detaillierte Anweisungen zur Korrektur der
beklagten Rechtsnormen. Aus dieser Nummer kommt keine Regierung
mehr heraus, sie muss sich wie jeder ertappte Kriminelle dem Spruch
der Richter beugen. In der Regel wird der EUGH darüber hinaus eine
empfindliche und abschreckende Geldstrafe verhängen.Die dürfte dann
allerdings nicht die verurteilte Ministerin aus eigener Tasche zahlen,
auch dafür wird dann wohl der Steuerzahler bluten müssen. Für die
politischen Straftäter käme ein solches Urteil dennoch einer
Höchststrafe gleich.
7.3. Wesenszüge der Strafe
„Die Strafe ist eine Sanktion gegenüber einem bestimmten Verhalten,
das in der Regel vom Erziehenden oder Vorgesetzten als Unrecht bzw.
als (in der Situation) unangemessen qualifiziert wird. Der Begriff der
Strafe wird insbesondere im Bereich der Rechtswissenschaft, jedoch
auch in der Theologie, Philosophie und vor allem in
den Erziehungswissenschaften abgehandelt. Der Gesetzgeber
beabsichtigt, Personen, die gegen Rechtsnormen verstoßen, zu
bestrafen. In der Regel wird Strafe heute nach
der Vereinigungstheorie mit unterschiedlichen Ansätzen begründet:
mit der Veränderung des zu Bestrafenden zum Besseren
(Spezialprävention)
mit dem Ziel der Abschreckung potentieller anderer
(Generalprävention)
mit dem Ziel des Schutzes anderer (z. B. der sonstigen
Bevölkerung)
mit der Wiederherstellung der Gerechtigkeit (Sühne) und von
Vergeltung (Talionsprinzip)“.5
Strafen im juristischen Sinne dürfen nur durch ein ordentliches Gericht
verhängt werden. Mit einer offensichtlichen Ausnahme: Im Rechtskreis
des SGB II ist es selbst dem kleinsten Sachbearbeiter mit
ausgewiesener Persönlichkeitsstörung „erlaubt“ nach Gutsherrenart
und unkontrollierbarer Willkür zu strafen und Existenzen zu zerstören.
Nein, erlaubt ist das natürlich nicht, nicht in einem funktionierenden
Rechtsstaat, nicht unter sozialen Wesen, die Menschen doch von Natur
aus sind.
7.4. Der Internationale Pranger ist die politische
Höchststrafe
Für gesetzgebende, verantwortliche Politikerinnen und Politiker kennen
wir einen erweiterten Sanktionskatalog, auch außerhalb jeder
Rechtsprechung. Das beginnt mit beharrlichem Ignorieren (der
Höchststrafe für pathologische Narzissten), mit der Verweigerung der
Stimme bei den kommenden Bundestagswahlen, bis hin zur sozialen
Ächtung als Täter gegen die Menschlichkeit und gegen die freiheitlichdemokratische
Grundordnung. Wenn morgen die Massen auf den
Straßen und Plätzen mit dem Finger auf diese Missetäter zeigen,
werden sie sich nicht mehr in das Licht der Öffentlichkeit trauen. Für
eine Regierung, gleich welcher Provenienz und Couleur, gibt es keine
größere Peinlichkeit, als international in die Kritik zu geraten und an den
globalen Pranger gestellt zu werden. Und das zu recht!
7.5. Resümee
Dass war sie nun, meine kleine Serie zu den rechtlichen Möglichkeiten,
die Bundesregierung und die selbsternannten Eliten zum Einlenken zu
bewegen. Ich bin kein Jurist und kann nicht garantieren, dass ich das
Thema vollständig erfasst habe. An dieser Stelle rufe die Vertreter der
Jurisprudenz auf, Ergänzungen und weitere Vorschläge zur
Überwindung des Unrechtssystems einzubringen. Ich werde jedenfalls
in diesen Tagen meine Konsequenzen aus den gewonnenen
Erkenntnissen ziehen und den Weg beschreiten, der mir am
erfolgversprechendsten erscheint.
Es bleibt dabei: Der Druck muss nun wachsen, wir stehen kurz vor einer
alles entscheidenden Bundestagswahl. Keine Abgeordnete, kein
Abgeordneter soll sich bis dahin in Sicherheit wiegen, wieder gewählt
zu werden. Dafür will ich meinen bescheidenen Beitrag leisten. Ich
werde erst Ruhe geben, wenn wir sicher sein können, dass der soziale
Frieden in dieser Republik wieder hergestellt und die Diskriminierung
und die Massenverelendung ernsthaft bekämpft werden. So wahr mir
der Himmel dabei helfe!
rechtliche Bewertung des SGB II (Hartz IV) wird ein unabdingbarer
juristischer Grundsatz nicht ausreichend berücksichtigt. Dieser lautet:
Höheres Recht bricht niedrigeres Recht (lex superior derogat legi
inferiori)! Im Rechtskreis des SGB II findet dieser Grundsatz keine
Anwendung, eine Entwicklung, die eindeutig die Prinzipien jeder
Rechtsstaatlichkeit außer Kraft setzt – rechtswidrig, wie sich zeigen
wird, nationales wie internationales Recht eindeutig verletzend. In dem
vorliegenden Exkurs wird der Nachweis geführt, dass niedriges Recht
(das SGB II) schon in seinen Grundzügen sich unerlaubt und ohne
Rechtfertigung gegen höheres Recht stellt und das in einem derart
erschreckenden Ausmaß, dass die Zeit gekommen ist, sich auch auf
gerichtlichem Wege dagegen zur Wehr zu setzen. Dort wo der
Rechtsstaat disponibel wird, systematisch und politisch gewollt, dort ist
die Preisgabe der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bereits
auf den Weg gebracht.
Die Mütter und Väter des Grundgesetzes waren von der festen Absicht
beseelt, schreiendes Unrecht, wie es in Zeiten des
nationalsozialistischen und faschistischen Terrorregimes des „Dritten
Reiches“ herrschte, auf ewig zu verhindern. Deshalb garantiert Artikel
20 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland im Abs. 4
das Recht eines jeden Deutschen, gegen jeden Widerstand zu leisten,
der es unternimmt, die dort in Abs. 1 bis 3
niedergelegte Verfassungsordnung zu beseitigen, wenn andere Abhilfe
nicht möglich ist. Angesichts der faktischen Außerkraftsetzung
grundgesetzlich garantierter und durch international verbindliches
Völkerrecht verbriefter Menschenrechte, wird der Widerstand geradezu
zur Pflicht!
Dieser Widerstand wächst zusehends, eine überparteiliche und
außerparlamentarische Bewegung macht sich bereit für den
entscheidenden Kampf zur Verteidigung der freiheitlich-demokratischen
Grundordnung, stellt sich auf, um die Wiedergeburt eines
menschenverachtenden und mörderischen Faschismus abzuwehren. Im
vorliegenden Beitrag geht es mir darum, Wege aufzuzeigen, die dieser
Bewegung zum Erfolg verhelfen können, auch wenn es schon eine
Minute vor zwölf ist. Dabei habe ich in den letzten Tagen hochgradige
Unterstützung aus dem europäischen Ausland erhalten. Dort wächst die
Empörung über die Entwicklungen in Deutschland, einem wachsenden
Unrechtsstaat, der sich mal wieder dazu aufschwingt, mit seinem
Wesen Europa und schließlich die gesamte Welt zu tyrannisieren. Dort
wächst aber auch die Bereitschaft, besagten Widerstand zu
unterstützen. Dies ist, das darf ich an dieser Stelle schon vorweg
nehmen, ein erster Erfolg besagter Bewegung, ihr ist bereits gelungen,
die Aufmerksamkeit auf die deutschen Verhältnisse zu lenken und
internationalen Beistand zu organisieren. Die Geister die gerufen sind,
werden nicht mehr loslassen, bis die verbrecherische Politik einer
gesetzlosen „Elite“, die sich über Recht und Moral stellt, ein Ende
findet.
Ich werde nun, in der Rangfolge der Rechtsgüter („von oben nach
unten“), den vielfältigen und wie gesagt systematischen Rechtsbruch
aufzeigen, vom Völkerrecht bis hin zum nationalen Recht. Ich werde zu
jedem erkannten Rechtsbruch Wege aufzeigen, die die Bundesrepublik
Deutschland und ihre Vertreter zur Anklage bringen und diese in ihre
Schranken zu verweisen behilflich sein können. Die aufgezeigten
Rechtswege sind erfolgversprechend, ersetzen aber nicht den
organisierten Widerstand außerhalb und innerhalb der Parlamente.
Wem die Verteidigung der Demokratie ernsthaft am Herzen liegt, der
darf keine Möglichkeit des Aufbegehrens und des aktiven Kampfes
auslassen. Der Widerstand muss jetzt ein Ausmaß annehmen, der die
Ewig-Gestrigen und ihre faschistoiden Absichten von der Bühne der
Geschichte hinweg fegt. Noch ist es nicht zu spät, noch haben die
Unmenschen nicht obsiegt!
1. Charta der Grundrechte der Europäischen Union
(EMRK)
Die “Charta der Grundrechte der Europäischen
Union“ kodifiziert Grund- und Menschenrechte im Rahmen
der Europäischen Union. Mit der Charta sind die EUGrundrechte
erstmals umfassend schriftlich und in einer verständlichen
Form niedergelegt. Sie orientiert sich an der Europäischen
Menschenrechtskonvention und der Europäischen Sozialcharta, den
mitgliedstaatlichen Verfassungen und internationalen
Menschenrechtsdokumenten, aber auch an der Rechtsprechung der
europäischen Gerichtshöfe.
Die Charta wurde ursprünglich vom ersten europäischen Konvent unter
dem Vorsitz von Roman Herzog erarbeitet und u.a. vom Europäischen
Parlament und vom Rat der Europäischen Union gebilligt. Rechtskraft
erlangte die zur Eröffnung der Regierungskonferenz von Nizza am 7.
Dezember 2000 erstmals feierlich proklamierte Charta – nach dem
Scheitern des Europäischen Verfassungsvertrages - jedoch erst am 1.
Dezember 2009, gemeinsam mit dem Inkrafttreten des Vertrags von
Lissabon. Die Grundrechtecharta ist nicht mehr Teil des Vertrags, wie
noch in dem gescheiterten Verfassungsentwurf vorgesehen; durch den
Verweis in Artikel 6 des durch den Lissaboner Vertrag geänderten EUVertrages
wird sie jedoch für alle Staaten, ausgenommen das Vereinigte
Königreich und Polen, für bindend erklärt.(…) Die Charta enthält die auf
Ebene der Union geltenden bzw. unionalen Grundrechte, die bisher nur
durch einen allgemeinen Verweis auf die Europäische
Menschenrechtskonvention und auf die gemeinsamen
Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten der Europäischen
Union im Vertrag genannt wurden (Artikel 6 Absatz 3 des EU-Vertrags).
Mit ihrer “Sichtbarmachung” in der Charta sollen die Grundrechte für
den Einzelnen transparenter werden. Zugleich sollen Identität und
Legitimität der Europäischen Union – als Wertegemeinschaft – gestärkt
werden.
In sechs Titeln (Würde des Menschen, Freiheit, Gleichheit, Solidarität,
Bürgerrechte und justizielle Rechte) fasst die Charta die allgemeinen
Menschen- und Bürgerrechte und die wirtschaftlichen und sozialen
Rechte in einem Dokument zusammen. Sie zeigt damit eindrücklich die
Unteilbarkeit der Grundrechte. Zudem enthält die Charta einige
wesentliche Grundsätze, an die sich vor allem der europäische
Gesetzgeber zu halten hat.“1 So werden z.B. „würdige
Arbeitsbedingungen“ garantiert und jede Art der Diskriminierung
verboten.
Einige der in der Charta garantierten Rechte gelten absolut und ohne
jegliche Einschränkung, so die Menschenwürde (Art. 1), das
Folterverbot (Art. 4) oder das Sklavereiverbot (Art. 5). In diese Rechte
dürfen Union und Mitgliedstaaten nicht eingreifen, und jede
Relativierung – etwa beim Folterverbot – verbietet sich. Ich werde im
Verlaufe dieses Exkurses noch detaillierter darauf eingehen.2
1.1. Art. 6 EMRK: Recht auf ein faires Verfahren
„(1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug
auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine
gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen
und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen
Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird.
Das Urteil muss öffentlich verkündet werden. (…)“3
1.1.1. „Faires Verfahren“ versus Sanktionspraxis im
Rechtskreis des SGB II
Die Sanktionspraxis ist in den §§ 31 und 32 des SGB II durch den
Gesetzgeber legitimiert, sie verstößt u.E. gegen das Gebot eines fairen
Verfahrens, das im Art. 6 EMRK völkerrechtlich verbindlich und absolut
geregelt ist.
Die Sanktionen im SGB II sind juristisch als sog. Verwaltungsstrafe zu
werten. Diese Strafen werden von Verwaltungsangestellten einer
Behörde (hier Jobcenter) verhängt, auch mögliche Widersprüche
dagegen werden von den gleichen Behörden beschieden. Diese
Behörden erfüllen in keinster Weise die Voraussetzungen für das
gebotene Recht auf ein faires Verfahren, sie können die Anfordernisse
einer anerkannten Judikatur nicht erfüllen, ihnen fehlt jegliche
Tribunalqualität. Dazu müssten die Jobcentermitarbeiter, die Strafen
verhängen und das Rechtsmittel Widerspruch bearbeiten, die
Befähigung zum Richteramt haben und unabhängig von jeder Weisung
sein. Diese zwingenden Voraussetzungen werden aber im Rechtskreis
des SGB II nicht einmal im Ansatz erfüllt, von einem fairen Verfahren
kann also nicht die Rede sein. Bis hierin ist ein klarer Verstoß gegen den
Art. 6 EMRK zu konstatieren.
1.1.1.2. Einschränkung der Prozesskostenhilfe untergräbt
das Recht auf ein faires Verfahren
Erst mit Beschreiten des Klageweges vor einem ordentlichen Gericht,
wird die o.g. Tribunal-Qualität erfüllt. Dazu bedarf es aber der
Möglichkeiten des potentiellen Klägers, diesen Weg zu bestreiten. Mit
der geplanten Einschränkung des Prozesskostenhilfe insbesondere für
wirtschaftlich geschwächte Hartz IV- Empfänger wird der Klageweg vor
einem ordentlichen Gericht eindeutig verbaut. Es entspricht dem
politischen Willen der Bundesregierung, den präkarisierten Massen
jegliche Judikatur zu verweigern. Ein klarer Verstoß gegen anerkanntes
Völkerrecht, ein ungeheurer Akt der Willkür, der eindeutig strafbewehrt
ist und bestraft werden muss. Die Festlegung von Sanktionsquoten
belegt den politischen Vorsatz und sollte sich deutlich strafverschärfend
auswirken!
2. Die BRD bricht Völkerrecht im Stile eines notorischen
Mehrfachtäters
Nach der Veröffentlichung des ersten Teils dieser Serie erreichte mich
der freundliche Hinweis einer promovierten Juristin, den ich an dieser
Stelle gerne aufgreife1:
Wir müssen in der Diskussion um die völkerrechtliche Bewertung des
Hartz-Systems der Tatsache Rechnung tragen, dass die bereits im
Jahre 1948 durch die Vereinten Nationen (UN) verkündete „Allgemeine
Erklärung der Menschenrechte“ 1976 durch 171 Staaten ratifiziert
wurde, auch durch die Bundesrepublik Deutschland.2 Mithin sind diese
Rechte bereits seit nunmehr 37 Jahren international anerkannt und
haben auch für die BRD einen völkerrechtlich verbindlichen Status
erlangt. Nach den jahrelangen, untauglichen Versuchen eine
Europäische Verfassung zu verabschieden, sind dann die in o.g. UNErklärung
fixierten Rechte in die im Jahre 2000 proklamierte „Charta der
Grundrechte der Europäischen Union (EMRK)“ eingeflossen, die mit
dem Vertrag von Lissabon 2009 auch für die BRD verbindlich wurden.
Wir müssen also konstatieren, dass die Bundesrepublik Deutschland
bereits seit Jahrzehnten anerkanntes und verbindliches Völkerrecht
bricht, geradezu im Stile eines notorischen Mehrfachtäters!
2.1. Artikel 3: Verbot unmenschlicher und erniedrigender
Behandlung
Art. 3 der „Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EMRK)“
verbietet Folter und unmenschliche oder erniedrigende Behandlung
bzw. Strafe. Dieser Artikel ist die einzige Bestimmung der EMRK, die
keinerlei Einschränkungen unterliegt. Selbst im Fall von
Ausnahmesituationen wie dem Kampf gegen Terrorismus und im Falle
von Entführungen, verbietet die EMRK Folter und unmenschliche
Behandlung, eine Abweichung nach Art. 15 EMRK ist im Falle von Art. 3
nicht möglich. Das Folterverbot gilt damit absolut, jeder Eingriff stellt
damit eine Verletzung dar.3
2.2.1. Hartz IV ist die Ausgeburt der Unmenschlichkeit und
Erniedrigung
Dem gegenüber zielt das SGB II (Hartz IV) jedoch bereits in seinen
Grundzügen auf eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung der
Leistungsberechtigten ab. Das beginnt bei der erzwungenen
Offenlegung sämtlicher persönlicher Verhältnisse, gleitet über die
Aufhebung des Bankgeheimnisses4 zielstrebig zur Entmündigung der
Betroffenen5. Den tatsächlichen und millionenfachen Zwang zur
Sklavenarbeit (neudeutsch auch „Leiharbeit“) dürfen wir getrost als
weiteren Schritt zur unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung
bewerten. Das alles gipfelt schließlich in der Sanktionspraxis im
Rechtskreis des SGB II, wenn Menschen in den Hunger, in die
Obdachlosigkeit, in lebensbedrohliche Krankheitsverläufe bis hin in den
Tod getrieben werden.6
2.2.2. Von Staats wegen: Vorsätzlicher Bruch der Völkerund
Menschenrechte
Notorisch, vorsätzlich, bar jeder Menschlichkeit bricht die BRD von
staatswegen also Völker- und Menschenrechte. Dabei hat sich auch
Deutschland internationalem Recht verpflichtet: „Die Staaten sind
verpflichtet, Individuen vor Folter und unmenschlicher Behandlung zu
schützen, im Falle einer hinreichend konkreten Gefahr der Verletzung
des Folterverbotes muss der jeweilige Staat aufgrund seiner
Gewährleistungspflicht aus der EMRK entsprechende Maßnahmen zur
Verhinderung von Folter ergreifen. Staatliches Eingreifen ist sowohl bei
einer Gefährdung durch staatliche als auch durch nichtstaatliche
Akteure gefordert. Die Schutzpflicht wird immer dann relevant, wenn
das physische Wohlbefinden und die körperliche Integrität einer Person
von staatlichen Maßnahmen abhängen, unabhängig davon, ob die
Gefährdung staatlich verursacht ist oder durch Private erfolgt. Neben
der reinen Schutzpflicht erwächst auch aus Art. 3 EMRK eine
Untersuchungs- und Ermittlungspflicht des Staates. Bei Bestehen eines
konkreten Verdachtes der Folter oder unmenschlicher Behandlung von
Seiten des Staates oder durch Private ist der Mitgliedstaat verpflichtet,
hinreichend effektive Ermittlungen einzuleiten und einen
entsprechenden organisatorischen Rahmen zu schaffen, der
unabhängige und schnelle Untersuchungen der Vorfälle ermöglicht.“7
Papier mag ja geduldig sein, erniedrigte und geknechtete Völker
aber wohl nicht – jedenfalls nicht auf Dauer!
1 Der Hinweis erreichte mich aus Österreich! Ich danke an dieser Stelle
nochmals für die wertvolle Zuarbeit.
2 http://www.unric.org/html/german/menschenrechte/UDHR_dt.pdf
3 Prof. Dr. Dr. Rainer Hofmann in: http://www.jura.unifrankfurt.
de/43680503/_-11-Menschenrechtsschutz.pdf
4 Die Jobcenter haben das Recht, die Kontobewegungen bei den
Banken abzufragen.
5 Leistungsberechtigte werden gezwungen, jede „zumutbare“ Arbeit
anzunehmen, auch wenn diese nicht ihren Qualifikationen und
Lebensplanungen entspricht. Des Weiteren besteht über die sog.
Residenzpflicht faktisch eine unzulässige Einschränkung der
Bewegungsfreiheit.
6 Im Falle einer Totalsanktion nach §§ 31, 32 SGB II werden keine
Beiträge an die Krankenkassen entrichtet, der Versicherungsschutz wird
demnach aufgehoben und eine medizinische Versorgung der
Erniedrigten ausgeschlossen.
7 Prof. Dr. Dr. Rainer Hofmann, a.a.o.
3. Hartz IV verletzt das Diskriminierungsverbot
Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) enthält in Art.
14 ein Diskriminierungsverbot. Danach ist es verboten, Menschen
wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der
Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen
oder sozialen Herkunft, der Zugehörigkeit zu einer nationalen
Minderheit, des Vermögens, der Geburt oder eines sonstigen Status die
Rechte und Freiheiten der Konvention vorzuenthalten oder
einzuschränken.
Mit dem Amsterdamer Vertrag1 wurde der Art. 13 EGV
(jetzt: Art. 19 AEUV 2) ergänzt, der den gemeinsamen Willen ausdrückt,
Diskriminierung aufgrund anderer Faktoren (Geschlecht, Rasse,
ethnische Herkunft, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter
oder sexuelle Ausrichtung) zu bekämpfen, also nicht
nur Rahmenbedingungen zu schaffen, sondern aktiv dagegen
vorzugehen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden,
dass sich der Schutz der Richtlinie 2000/78 vor Diskriminierung und
Belästigung wegen einer Behinderung nicht nur auf Menschen
beschränkt, die selbst eine Behinderung haben.
3.1. Europarechtliche Vorgaben
Die Europäische Menschenrechtskonvention enthält in Art. 14 ein
Diskriminierungsverbot. Danach ist es verboten, Menschen wegen des
Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion, der
politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen
Herkunft, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des
Vermögens, der Geburt oder eines sonstigen Status die Rechte und
Freiheiten der Konvention vorzuenthalten oder einzuschränken.
Um den Schutz vor Diskriminierungen effektiv zu gestalten, gebieten die
Richtlinien, bei Verstößen wirksame Sanktionen vorzusehen. Auch soll
ein effektiver Rechtsschutz gegen Diskriminierungen vorgesehen
werden, der etwa Beweiserleichterungen für denjenigen erfordern kann,
der sich in verbotener Weise diskriminiert sieht.4
3.2. EU-Grundrechtecharta
In der Grundrechtecharta 5 gibt es neben dem allgemeinen
Gleichheitsgebot des Artikel 20, der die Gleichheit vor dem Gesetz
garantiert, spezifische Diskriminierungsverbote in Artikel 21 und 23.
Artikel 21 enthält ein umfassendes Verbot der Diskriminierung
insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der
ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der
Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der politischen oder
sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen
Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters
oder der sexuellen Ausrichtung. Art. 23 verbürgt die Gleichheit von
Männern und Frauen und begründet zugleich ein Förderungsrecht für
das jeweils „unterrepräsentierte Geschlecht“.
3.3. Ausweitung des Antidiskriminierungsgebots
Die EU-Kommission hat sich entschlossen, Diskriminierung über den
Arbeitsmarkt hinaus auch im Bereich der Zurverfügungstellung von
Gütern und Dienstleistungen auszuweiten
Im Juli 2008 unterbreitete die Europäische Kommission einen Entwurf
für eine “Richtlinie des Rates zur Anwendung des Grundsatzes der
Gleichbehandlung ungeachtet der Religion oder der Weltanschauung,
einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung” vor, der
basierend auf den Richtlinien 2000/43/EG, 2000/78/EG und
2004/113/EG – insbesondere als Ergänzung der diesbezüglichen
Rechtsvorschriften im Bereich Beschäftigung − einen Schutz vor
Diskriminierung in den Bereichen Gesundheitsversorgung, Bildung,
Sozialversicherung und Wohnungswesen bieten soll. Er würde den
Diskriminierungsschutz für die darin angeführten Gründe jenem Niveau
angleichen, das mit der Antirassismus-Richtlinie 43/2000 für das
Merkmal ethnische Herkunft festgelegt wurde.
3.4. Diskriminierungsverbot der Bundesrepublik
Deutschland
Das Diskriminierungsverbot beschreibt das in Deutschland mehrfach
gesetzlich geregelte Verbot, gegenüber anderen Personen oder
Einrichtungen ein diese benachteiligendes Verhalten auszuüben, ohne
dass dafür ein sachlicher Grund vorliegt. Im bundesdeutschen Recht
werden (soziale) Diskriminierung, Ungleichbehandlung und
Differenzierung zum Teil synonym gebraucht
Im Kern wird dieses Gebot aus Art. 3 des Grundgesetzes 6 abgeleitet
und gilt für Staatshandeln. Ausgehend davon ist zwar jede staatliche
Diskriminierung verboten, sofern Abwehrrechte betroffen
sind, nicht aber jede private. Das Bundesarbeitsgericht hatte in seiner
Rechtsprechung schon seit jeher die Grundrechtsnormen im Verhältnis
Arbeitgeber-Arbeitnehmer unmittelbar angewandt.
Im Verlauf der Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland wurde das
Diskriminierungsverbot einfachgesetzlich auf Grund des Rufens der
Frauenbewegung und der EU-Verträge immer mehr auf das Verhältnis
zwischen Privaten ausgeweitet und in verschiedenen Rechtsgebieten
konkretisiert. Jüngstes Beispiel dafür ist das Allgemeine
Gleichbehandlungsgesetz (AGG), nach dem ein Arbeitgeber einzelne
Arbeitnehmer bei jeglichen Entscheidungen (Kündigungen, Weisungen,
beruflicher Aufstieg) nicht auf Grund ihres Geschlechts benachteiligen
darf. Das AGG wurde als Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben
eingeführt. Es soll ungerechtfertigte Benachteiligungen aus Gründen
der „Rasse“, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion,
Weltanschauung, von Behinderung, des Alters oder der sexuellen
Identität verhindern und beseitigen.
3.5. Hartz IV ist die Anleitung zur systematischen
Diskriminierung
Dagegen ließt sich die Praxis des Hartz-Systems wie eine Anleitung zur
Diskriminierung. Die unmittelbar Betroffenen werden in vielfacher Weise
ihrer verbrieften Rechte beraubt7, die nachfolgende stichwortartige
Aufzählung der Verstöße gegen das Diskriminierungsverbot kann ob
des Ausmaßes des etablierten Rechtsbruchs nicht einmal den
Anspruch auf Vollständigkeit erheben 8:
Menschliche Würde wird ihnen nicht zugestanden, trotz des
hehren Versprechens des Grundgesetzes, dessen grundlegendes
und unveräußerliches Axiom auf dem Papier doch immer noch
lautet: Die Würde des Menschen ist unantastbar!
Sie werden vom grundgesetzlich und mit Ewigkeitsgarantie
versehenem Prinzip der Sozialstaatlichkeit ausgeschlossen.
Der besondere Schutz von Ehe und Familie wird ihnen
vorenthalten, mit ständig drohenden Sanktionen dräut ihnen sogar
die Sippenhaft.
Das Recht auf Leben und auf körperliche wie seelische
Unversehrtheit wird ihnen abgestritten.
Ihnen wird das Recht auf freie Berufswahl und damit auch das
Recht auf eine freie Lebensgestaltung genommen.
Ihnen wird das Recht auf die freie Wahl des Wohnortes und des
Lebensmittelpunkt genommen.
Mit der sog. Präsenzpflicht wird ihre Bewegungsfreiheit auf ein
Minimum beschränkt.
Sie werden des Rechts auf Teilhabe am gesellschaftlichen und
kulturellen Leben beraubt.
Das Bankgeheimnis wird ihnen vorenthalten.
In der Summe werden die Vermaledeiten nicht nur aus der Mitte
der Gesellschaft ausgegrenzt und stigmatisiert, ihnen wird auch
jede Lebensperspektive genommen.
Dabei werden doch im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland in
dem Abschnitt „Der Bund und die Länder“ die wichtigsten
Staatsprinzipien benannt: Demokratie, Sozialstaat und die
Gesetzmäßigkeit der Staatsorgane sowie der Rechtsstaat. Nie zu
vergessen: Die in Artikel 1 (Menschenwürde) und Artikel 20 festgelegten
Grundsätze, also der Kern staatlicher Grundordnung und der
Grundrechte, dürfen in ihrem Wesensgehalt durch die
verfassungsändernde Gewalt nicht geändert werden (Art. 79 Abs. 3;
sog. Ewigkeitsklausel)!
Noch immer ist das Papier geduldig – wie lange will das
Volk noch ruhig bleiben!?
4. Hartz IV verletzt das Verbot von Sklaverei und
Zwangsarbeit
Grafik: International Labour Organisation
Auch wenn sich deutsche Gerichte bislang beharrlich weigern, die
Pflicht zur Aufnahme jeder „zumutbaren Arbeit“ und die damit
verbundene massenhafte Rekrutierung von Erwerbslosen in prekäre
Beschäftigungsformen als unzulässig zu werten, stehen doch höhere
Rechte wie das Völkerrecht, die Menschenrechte und das Grundgesetz
eindeutig dagegen.
4.1. Jede Arbeit grundsätzlich zumutbar?
Zu dieser Frage bezieht das Bundesministerium für Arbeit und Soziales
auf seiner „Informationsplattform SGBII – Jobcenter“ eindeutig Stellung:
„Arbeit ist grundsätzlich zumutbar, wenn der Hilfebedürftige dazu
geistig, seelisch und körperlich in der Lage ist. Niemand darf einen Job
ablehnen, weil er nicht der Ausbildung entspricht, der Arbeitsort weiter
entfernt ist als der frühere oder weil die Bedingungen subjektiv
ungünstig scheinen. Auch eine Entlohnung unterhalb des Tariflohns
oder des ortsüblichen Entgelts ist nicht von vornherein Grund zur
Ablehnung. Nicht zumutbar sind aber Arbeiten, die gegen die guten
Sitten verstoßen, z.B. weil die Bezahlung mehr als 30 Prozent unter
dem ortsüblichen Entgelt liegt. Nicht zumutbar sind auch Tätigkeiten,
die die Rückkehr in den früher ausgeübten Beruf erschweren, die Pflege
eines Angehörigen behindern oder die Erziehung eines Kindes
gefährden. Nicht gefährdet ist die Erziehung von Kindern ab drei
Jahren, die in einer Tageseinrichtung oder auf sonstige Weise betreut
werden.“1
Selbstredend stellt dieser Zwang zur Aufnahme „zumutbarer Arbeit“
schon nach dem Geiste des Gesetzes einen massiven Eingriff in die
Persönlichkeitsrechte der Leistungsberechtigten dar. Ihnen wird nicht
nur das Recht auf eine freie Lebensplanung genommen, sondern auch
das Recht der freien Berufswahl und das Anrecht auf eine
angemessene Entlohnung. Insbesondere das Diktat zu prekärer
Beschäftigung – das sich bei Weigerung in der „Bestrafung“, also dem
Entzug jeglicher Existensgrundlage durch angedrohte und tatsächlich
verfügte Sanktionen manifestiert – kommt der Heranziehung zur
Sklaverei und Zwangsarbeit gleich.2
4.2. Eindeutiges Verbot der Zwangs- und Pflichtarbeit
Als Zwangsarbeit wird eine Arbeit bezeichnet, zu der ein Mensch unter
Androhung einer Strafe oder eines sonstigen empfindlichen Übels
gegen seinen Willen gezwungen wird. Sie ist – mit verschwimmenden
Übergängen – die schärfste Form der Arbeitspflicht. (3)
Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO)4 definierte 1930 in Art. 2
Abs. 1 des Übereinkommens über Zwangs- und Pflichtarbeit die
Zwangsarbeit als unfreiwillige Arbeit oder Dienstleistung, die unter
Androhung einer Strafe ausgeübt wird. Nicht dazu gehören laut Abs. 2
des Übereinkommen: Militärdienst, übliche Bürgerpflichten, Arbeit im
Strafvollzug, notwendige Arbeit in Fällen höherer Gewalt und Arbeit, die
dem unmittelbaren Wohl der Gemeinschaft dient.5 Die ILO verbietet den
Einsatz von Zwangsarbeit
als Methode der Rekrutierung und Verwendung von Arbeitskräften
für Zwecke der wirtschaftlichen Entwicklung;
als Maßnahme der Arbeitsdisziplin;
als Maßnahme rassischer, sozialer, nationaler oder religiöser
Diskriminierung.
Über 90% der Vermittlungen durch die Jobcenter münden in prekärer
Beschäftigung (Leiharbeit, Mini-Jobs u.ä.) oder gar in
Zwangsmaßnahmen wie Bewerbungstrainings oder sogenannten
Arbeitsgelegenheiten. Keiner der Zwangsverpflichteten nimmt derartige
Arbeiten freiwillig auf, allenfalls sind es die blanke Not und die schiere
Panik vor o.g. Bestrafungen, die die Menschen dazu treibt!
4.3. Bundesregierung: Weiter so, trotz Rüge der Vereinten
Nationen
Eine klare Rüge, verbunden mit einer eindeutigen Aufforderung zur
Einhaltung der Völker- und der Menschenrechte handelte sich deshalb
die Bundesregierung bereits im Mai 2011 durch den „Ausschuss für
soziale, wirtschaftliche und kulturelle Rechte bei den Vereinten Nationen
(UN)“ ein. In dessen Protokoll der 46. Sitzung heißt es wörtlich: „Der
Ausschuss stellt mit Besorgnis fest, dass Regelungen im Rahmen der
Arbeitslosen- und Sozialhilfe des Vertragsstaates (der BRD, n.w.) –
einschließlich der Verpflichtung für Empfänger von Arbeitslosengeld,
“jede zumutbare Arbeit” anzunehmen, was in der Praxis fast als jede
Arbeit interpretiert werden kann – sowie der Einsatz von
Langzeitarbeitslosen zu unbezahlter gemeinnütziger Arbeit, zu
Vertragsverletzungen in Art. 6 und 7 führen könnten. (Art. 6, 7 und 97)“8
Und weiter heißt es dort: „Der Ausschuss fordert den Vertragsstaat
dazu auf, sicherzustellen, dass seine Systeme zur Arbeitslosenhilfe die
Rechte des Individuums zur freien Annahme einer Beschäftigung seiner
oder ihrer Wahl ebnen.“9
4.4. Nie wieder?
Einmal mehr wird mit dem SGB II also höheres Recht gebrochen,
vorsätzlich und gezielt durch nationale Normierungen erzwungen, die
nach internationalem (höherem!) Recht keine Gesetze sein dürfen. So
verbietet schon die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ aus
dem Jahre 1947 im Artikel 4 die Sklaverei und Leibeigenschaft.10 Auch
die Europäische Menschenrechtskonvention verbietet Sklavenarbeit
und Leibeigenschaft und untersagt jede Zwangs- und Pflichtarbeit.11
Aber selbst nationales Recht ist das Papier nicht wert, auf dem es
steht. Auch das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland (GG)
garantiert die uneingeschränkte Berufsfreiheit und verbietet jede Form
der Zwangsarbeit.12 Warum es schon wieder deutsche Gerichte sind,
die trotz der leidvollen Erfahrungen mit der Nazi-Diktatur beharrlich das
Völkerrecht ignorieren, erschließt sich wohl allein der Logik der
„rechtsprechenden“ Richterinnen und Richter.
Gesetzliche Grundlagen sind die §§ 31, 32 SGB II
Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) ist eine Sonderorganisation
der Vereinten Nationen mit Hauptsitz in Genf.
Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte
vom 19. Dezember 1966; vgl. hierzu: Sanktionsmoratorium.
Art. 12 GG: (1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und
Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch
Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden. (2) Niemand
darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen
einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen
Dienstleistungspflicht.
5. Während die Mühlen langsam mahlen…
In der Diskussion um die Sanktionspraxis im SGB II halten mir
zahlreiche Juristen gebetsmühlen-artig1 entgegen, dass diese wohl
rechtens sei, schließlich habe das Bundesverfassungsgericht (BverfG)
hierzu noch kein Urteil gesprochen. Als juristischer Laie erschließt sich
mir diese spezifische Logik nicht – trotz andauernder und ernsthafter
Bemühungen.
Wie dem auch sei, sollten alle Verfechter des Sozialstaates keine
Möglichkeit auslassen, den fortlaufenden uns systematischen
Rechtsbruch, verübt im Regierungsauftrag, vor ein Tribunal zu bringen
und auf die Vereinbarkeit mit geltendem Recht überprüfen zu lassen.
Dabei kommt es darauf an, alle Energien und Ressourcen auf einen
erfolgversprechenden Weg zu konzentrieren, einen Weg, der ein
möglichst zeitiges Ergebnis ermöglicht. Meines Erachtens sollte die
politische „Elite“ (oder die, die sich dafür hält) noch vor der
Bundestagswahl am 22.09.2013 unter erheblichen Druck gesetzt und
zu einer Kurskorrektur ermuntert werden. Betrachten wir dazu zunächst
einmal die denkbaren Klagewege und die Verfahren, die jeweils
zwingend vorgeschrieben sind.
5.1. Rechtsmittel gegen einen Verwaltungsakt
Der übliche und bekannteste Weg Rechtsmittel gegen einen
streitigenVerwaltungsakt einzulegen ist zunächst der formale
Widerspruch.2 Dieser Widerspruch wird sodann durch eine sog.
Widerspruchsstelle bearbeitet, wir hören zunehmend davon, dass diese
in Personalunion mit den Bescheidern besetzt sind. So wird der Bock
zum Gärtner gemacht, was davon aus Sicht der Judikative zu halten ist,
habe ich bereits im ersten Teil dieser Serie ausgeführt. Wird dem
Widerspruch nicht abbeholfen (Amtsdeutsch für abgelehnt), ist der
Klageweg vor einem ordentlichen Gericht eröffnet. Achtung: Für
Streitigkeiten im SGB II hat ein Widerspruch keine aufschiebende
Wirkung, das heißt, er setzt den Bescheid nicht bis zur (gerichtlichen)
Klärung aus!
5.1.1. Lassen Sie sich engagiert und kompetent vertreten!
Ab jetzt ist die Vertretung durch einen engagierten und kompetenten
Fachanwalt für Sozialrecht und/oder Verwaltungsrecht dringend zu
empfehlen. Die Kolleginnen und Kollegen der juristischen Fakultät
mögen es mir nachsehen, dass Erfahrungen aus dem Verkehrs- oder
auch Ordnungswidrigkeitenrecht für die nun anstehenden Verfahren nur
selten ausreichen.
5.2. Dies Sozialgerichtsbarkeit
Die Sozialgerichtsbarkeit ist die in Angelegenheiten
des Sozialrechts tätig werdende Gerichtsbarkeit. Die
Sozialgerichtsbarkeit ist dreistufig aufgebaut. Die erste Instanz ist
grundsätzlich das Sozialgericht (SG), Berufungsund
Beschwerdeinstanz das Landessozialgericht (LSG) in den
jeweiligen Bundesländer und Revisionssowie
Rechtsbeschwerdeinstanz das Bundessozialgericht (BSG) mit
Sitz in Kassel. Die Sozialgerichtsbarkeit ist von
der Arbeitsgerichtsbarkeit und
der Verwaltungsgerichtsbarkeit abzugrenzen. Die Abgrenzung erfolgt
nach dem Rahmen der Zuständigkeit. Derzeit bestehen 68 Sozial-, 14
Landessozial- und ein Bundessozialgericht. (…)
Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist geprägt
vom Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103, § 106 SGG). Das Gericht hat
den Sachverhalt, jedenfalls soweit er streitig ist, von Amts wegen zu
erforschen. In der ersten Instanz schließt sich an die Klageerhebung in
der Regel ein schriftliches Verfahren an, innerhalb dessen die
vorbereitenden Ermittlungen stattfinden (Einholung von Gutachten,
gelegentlich auch schon Zeugenvernehmungen). In diesem
Verfahrensstadium wirken die ehrenamtlichen Richter nicht mit. Die
Ermittlungen sollen so weit vorangetrieben werden, dass der
Rechtsstreit in einer einzigen mündlichen Verhandlung erledigt werden
kann. Die mündliche Verhandlung stellt den Regelfall dar; daneben kann
der Rechtsstreit unter bestimmten Voraussetzungen aber auch durch
schriftliche Entscheidungen oderGerichtsbescheide ohne vorherige
mündliche Verhandlung beendet werden. Abweichend zum Zivilprozess
ist in der Sozialgerichtsbarkeit auch nicht der Grundsatz der formellen
Wahrheit, sondern derjenige der materiellen
Wahrheit verfahrensgestaltend. Jedoch existiert auch im
sozialgerichtlichen Verfahren die objektive Beweislast. Weiterer
Verfahrensgrundsatz der Sozialgerichtsbarkeit ist derjenige der
Klägerfreundlichkeit. Neben grundsätzlicher Kostenfreiheit besteht
beispielsweise kein Vertretungszwang. Bis zur Neufassung des § 92
SGG am 1. April 2008[8]war auch, wiederum gegensätzlich zum
Zivilprozess und auch zum Verwaltungsprozess, es nicht erforderlich
einen bestimmten Antrag zu stellen (…).
Als Rechtsmittel stehen Berufung und Revision zur Verfügung. Als
Berufungsgericht fungieren die Landessozialgerichte, als
Revisionsgericht das Bundessozialgericht.“3
5.3. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit
Die Verwaltungsgerichtsbarkeit ist der Zweig der
deutschen Gerichtsbarkeit, der der gerichtlichen Kontrolle des
Verwaltungshandelns dient. Die auf der Grundlage
von Art. 95 des Grundgesetzes eingerichteten Verwaltungsgerichte
gewährleisten in ihrem Zuständigkeitsbereich die vonArt. 19 Abs. 4 GG
verlangte Überprüfbarkeit sämtlicher öffentlicher Akte. In
erster Instanz sind in der Regel die Verwaltungsgerichte zuständig
(§ 45 VwGO). In den meisten Ländern ist je Regierungsbezirk ein
Verwaltungsgericht eingerichtet. Da im 17. Jahrhundert die
Verwaltungsgerichte nicht mit unabhängigen Richtern, sondern
mit Beamten besetzt waren, hat sich die historische
Bezeichnung außerordentliche Gerichtsbarkeit erhalten. Diese
Unterscheidung hat jedoch keine Bedeutung mehr,
da Art. 92, Art. 97 GG jede Rechtsprechung persönlich und sachlich
unabhängigen Richtern zuweist. (…)
(Auch) die Verwaltungsgerichtsbarkeit ist dreistufig aufgebaut. Für die
meisten verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist als erste Instanz
das Verwaltungsgericht zuständig. Berufungsund
Beschwerdeinstanz der Verwaltungsgerichte sind
die Oberverwaltungsgerichte (OVG) bzw.Verwaltungsgerichtshöfe (VGH)
der Bundesländer. Jedes Bundesland hat mittlerweile ein OVG oder
einen VGH, das oder der – außer in Bayern, Sachsen-Anhalt und
den Stadtstaaten - seinen Sitz nicht in der Landeshauptstadt hat, um
die Unabhängigkeit von der Verwaltung auch räumlich zu verdeutlichen
(Zur Liste der Sitze vgl. Oberverwaltungsgericht). Schleswig-Holstein
etwa hat erst 1991 ein eigenes OVG eingerichtet; bis dahin war
das OVG Lüneburg in Niedersachsen gem. § 3 Abs. 2 VwGO auch für
das Land Schleswig-Holstein zuständig.
Die Oberverwaltungsgerichte sind
bei Normenkontrollen von Satzungen,
landesrechtlichen Vereinsverboten und Genehmigungen von
technischen oder verkehrlichen Großprojekten erste Instanz
(§ 47 VwGO).
Revisions- und Rechtsbeschwerdeinstanz ist
das Bundesverwaltungsgericht mit Sitz in Leipzig. Auch das
Bundesverwaltungsgericht kann bei Streitigkeiten der
Versicherungsaufsicht und übrigen nichtverfassungsrechtlichen
Streitigkeiten zwischen Bund und Ländern erste Instanz sein.4
5.4. Die Verfassungsgerichtsbarkeit
Die Verfassungsgerichtsbarkeit prüft die Vereinbarkeit oder
Verfassungsmäßigkeit von Hoheitsakten, insbesondere Gesetzen, mit
der jeweiligen Verfassung. Sie hat dabei die Möglichkeit, solche Akte
als verfassungswidrig zu erklären. Die Folgen einer solchen Erklärung
sind vom jeweiligen Rechtskreis abhängig. (…) Die Rechtsfolgen der
Feststellung der Verfassungswidrigkeit eines Rechtsakts sind ebenfalls
von Land zu Land unterschiedlich.
Die Wirkung der Feststellung der Verfassungswidrigkeit tritt teils von
Rechts wegen ein, ohne dass es einer besonderen Anordnung des
Verfassungsgerichts bedarf. In einigen Staaten ist das Gesetz ab dem
Zeitpunkt des verfassungsgerichtlichen Urteils unwirksam, d. h.
Gerichte und Verwaltung dürfen das Gesetz nicht mehr anwenden, und
der Gesetzgeber wird innerhalb einer Frist zur Neuregelung verpflichtet
(Spanien). In den meisten Staaten wird das Gesetz dann rückwirkend
für nichtig befunden, d. h. auch bereits ergangene, auf ihm beruhende
Entscheidungen, z. B. von Strafgerichten, werden aufgehoben (Italien,
Griechenland, USA).
Manche Verfassungsgerichte können die Rechtsfolge selbst festlegen
(Belgien, Deutschland, Portugal); in diesen Fällen kann das
Verfassungsgericht die Unwirksamkeit ab dem Zeitpunkt des Urteils
oder die rückwirkende Nichtigkeit anordnen, aber auch die gegenüber
der Nichtigkeit des Gesetzes mildere Rechtsfolge, dass der
Gesetzgeber zur Neuregelung verpflichtet wird, das Gesetz aber bis
dahin weiter angewendet werden darf (sog. Appel-Entscheidung). (…)
Nur in einem Teil der Länder können von einem Gesetz unmittelbar
Betroffene direkt Verfassungsbeschwerde erheben (Belgien,
Deutschland, Lettland, Österreich, Polen, Portugal, Slowenien, Spanien,
Tschechien und Ungarn). In anderen Ländern ist die
Verfassungsbeschwerde nur gegen Gerichtsurteile möglich; es muss
dann erst Rechtsschutz vor den allgemeinen Gerichten gesucht werden
(Dänemark, Estland, Finnland, Griechenland, Italien, Irland, Litauen,
Niederlande, Norwegen, Schweiz, Schweden, USA).
Während in Deutschland und anderen Ländern grundsätzlich beide
Wege (Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen ein Gesetz oder
Verfassungsbeschwerde gegen Urteil) möglich sind, ist in Österreich die
Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit von Urteilen nicht möglich; das
Verfassungsgericht entscheidet also nur über Rechtsakte der anderen
Gewalten, nicht über Akte der Judikative. In wenigen Fällen können alle
Bürger auch ohne eigene Betroffenheit Verfassungsbeschwerde gegen
ein Gesetz einlegen (Slowenien, Ungarn, in Deutschland nur in Bayern);
man spricht hier von einer verfassungsgerichtlichen Popularklage.5
5.5. Tag ein Tag aus wird millionenfach gelitten, gehungert
und zunehmend auch gestorben!
Die hier aufgezeigten Möglichkeiten, das SGB II höchstrichterlich
überprüfen zu lassen, sind allesamt mit großem zeitlichen, aber auch
finanziellem Aufwand verbunden. Alle Erfahrungen zeigen, dass wir von
Zeitläufen von mindestens fünf Jahren ausgehen müssen. Bis dahin
wird jedoch Tag ein Tag aus millionenfach gelitten, gehungert und
zunehmend auch gestorben. Bislang ist es noch in keinem Verfahren
gelungen, eine Entscheidung vor dem Bundesverfassungsgericht zu
erzwingen. Wir müssen uns auf die Suche nach kürzeren und
effektiveren Wegen machen, um dem Unrecht Einhalt zu gebieten!
In Teil 6 der Serie “Hartz IV verstößt gegen internationales und
nationales Recht” werden weitere Möglichkeiten vor den nationalen
Gerichten sowie die Klagewege vor internationalen Tribunalen
aufgezeigt.
1 Das ist jetzt ausdrücklich kein Verschreiber!
2 Einen Widerspruch kann jeder Betroffene auch ohne anwaltliche
Unterstützung einlegen. Dazu reicht ein formloses Schreiben an die
bescheidende Behörde, es empfiehlt sich eine Begründung, die sich
ausschließlich (!) auf den erkannten Rechtsverstoß konzentriert. Ganz
wichtig ist es dabei, die Frist zu wahren, diese muss sich aus dem
Bescheid ergeben. Nur mit dem Verweis darauf, ist ein Bescheid
rechtskräftig, anderenfalls greift er per se nicht. Zur Fristwahrung reicht
auch ein rechtzeitiges Schreiben „Ich erhebe Widerspruch gegen den
Bescheid vom…AZ: „xy”, die Begründung sollte dann aber zeitnah
nachgereicht werden.
In der vorangegangenen Folge dieser Serie haben wir die Möglichkeiten
einer Individualklage vor der deutschen Gerichtsbarkeit erörtert. Es
bieten sich weitere Klagewege an, die von juristischen Personen
(Organisationen, Verbände u.ä.) beschritten werden könnten. Diese
sollen nachfolgend aufgezeigt werden, der Vollständigkeit halber und
um eine Einschätzung der Erfolgsaussichten dieser Formen der
Gegenwehr zu ermöglichen. Anschließend wollen wir uns auf die
Möglichkeiten konzentrieren, internationale Tribunale anzurufen.
Vorweg sei hier noch angemerkt, dass auch im Zuge einer
Individualklage (auf dem Weg durch die Instanzen) ein Anrufen des
Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) möglich wäre. Derartige
Verfahren könnten grundsätzlich – vorausgesetzt einer begründeten
Verdachts auf Verletzungen des Grundgesetzes – durch das Gerichte
ausgesetzt und zur Überprüfung an das BVerfG weitergeleitet werden.
Dieser Weg wäre aber immer einer Entscheidung des zuständigen
Gerichts vorbehalten, bislang hat sich nach unserem Kenntnisstand
noch kein Richter dazu durchringen können.
6.1. Der Organstreit
Mit dem Rechtsbegriff Organstreit oder Organstreitigkeit werden
im öffentlichen
Recht in Deutschland verfassungsrechtliche Streitigkeiten über den
Umfang der Rechte und Pflichten oberster Verfassungsorgane oder
ihrer Mitglieder bezeichnet. Bei einem Organstreit handelt es sich um
die Frage der Rechtmäßigkeit von Maßnahmen, die organisatorische
Wirkungen zwischen Verfassungsorganen oder auch nur ihren
Mitgliedern betreffen. Es gibt vergleichbare Streitigkeiten auf allen
Ebenen der Organe der öffentlich-rechtlichen Körperschaften, bis hin
zum Kommunalverfassungsstreit.(…)
Das Organstreitverfahren hat seine Grundlage im
Gewaltenteilungsprinzip und im Minderheitenschutz. Allerdings sind
Organstreitverfahren wegen der parteipolitischen Verbindungen eher
selten. Der Minderheitenschutz spielt hingegen eine erhebliche Rolle.
Durch das Organstreitverfahren hat die Opposition die Möglichkeit, ihre
Minderheitsrechte vor dem
deutschen Bundesverfassungsgericht geltend zu machen und
durchzusetzen. Das Organstreitverfahren ist in Art. 93 Abs. 1
Nr. 1 GG genannt und in § 13 Nr. 5, §§ 63 ff. BVerfGG konkretisiert.(…)
Um vor dem Bundesverfassungsgericht im Rahmen eines
Organstreitverfahrens klagen zu können, müssen bestimmte
Voraussetzungen erfüllt sein. Die Voraussetzungen für
Organstreitigkeiten vor den Verfassungsgerichten der Länder sind
weitgehend vergleichbar: Antragsberechtigt sind oberste
Bundesorgane im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG. Dazu zählen der
Bundespräsident, der Bundestag, Bundesrat und die Bundesregierung
sowie die gemeinsamen Ausschüsse (Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG
i.V.m. § 13 Nr. 5, § 63 BverfGG).
Antragsberechtigt sind auch Teile dieser Organe, sofern sie
unter „andere Beteiligte“ im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG fallen.
Organteile können etwa der Bundestagspräsident,
der einzelne Abgeordnete (als Teil des
Organs Bundestag), Bundesminister (In-Sich-Streit zwischen einzelnen
Bundesministern ist unzulässig), Fraktionen sowie politische
Parteien, sofern diese in ihrer (organschaftlichen) Stellung als
Mitwirkende am Verfassungsleben betroffen sind, sein.
Ein zulässiger Antrag liegt nach diesem Kriterium nur dann vor, wenn
der Antragssteller die Verletzung eigener, aus der Verfassung
herleitbarer Rechte hinreichend geltend macht. An dieser Stelle wird
jedoch nur festgestellt, ob ein solches Recht verletzt
sein könnte (Möglichkeitstheorie). Die konkrete Frage, ob die Verletzung
tatsächlich vorliegt, wird im Rahmen der Begründetheit geklärt.1
Die Möglichkeiten, das Hartz-System über den Weg eines Organstreites
anzugreifen, waren bis heute (nach immerhin 58 Gesetzesänderungen
seit Inkrafttreten im Jahre 2005) verbaut. An dieser Stelle hat die
Bundesregierung als Initiator der Gesetzgebungsverfahren
offensichtlich „sauber“ gearbeitet und den politischen Widersachern
bislang keine Angriffsfläche geboten.
6.2. Die Verbandsklage
Als Verbandsklage wird die Klage
von Vereinen oder Verbänden bezeichnet, mit der diese nicht die
Verletzung eigener Rechte geltend machen, sondern die der
Allgemeinheit. Im deutschen Recht gibt es mittlerweile in den
verschiedenen Rechtsgebieten unterschiedlich ausgeprägte
Möglichkeiten, eine Verbandsklage zu erheben.
Besondere Bedeutung kommt Verbandsklagen im Umweltrecht zu.
Grundsätzlich liegt dem deutschen Verwaltungsprozessrecht das
System des Individualrechtsschutzes zugrunde. Nach § 42 Abs.
2 VwGO ist nur derjenige klagebefugt, der geltend macht, durch den
Verwaltungsakt in eigenen Rechten (subjektiv-öffentliches Recht)
verletzt zu sein.2
Aber auch in sozialrechtlichen Streitfällen könnte die Verbandsklage das
Mittel der Wahl sein. „Das Gesetz zur Gleichstellung behinderter
Menschen enthält in § 13 BGG ein Verbandsklagerecht, nachdem ein
anerkannter Behindertenschutzverband Klage nach Maßgabe der
Verwaltungsgerichtsordnung oder des Sozialgerichtsgesetzes erheben
kann auf Feststellung eines Verstoßes gegen bestimmte
behindertenschutzrechtliche Vorschriften.“3
Behinderte Menschen sind in den Fängen des Hartz-System häufig
einer besonderen Entwürdigung und nicht selten erschreckender
Diskriminierungen ausgesetzt. Hier wären nun die Verbände gefragt, die
sich dem Schutz Behinderter verschrieben haben. Es wäre zu
begrüßen, wenn diese Organisationen die Möglichkeiten dieses
Rechtsweges noch einmal ernsthaft prüfen würden.
6. 3. Die Normenkontrolle
Als Normenkontrolle bezeichnet man die Überprüfung von
Rechtsnormen daraufhin, ob sie mit höherrangigem Recht vereinbar
sind. Normenkontrollen werden von Gerichten vorgenommen und sind
geschichtlich aus dem Richterlichen Prüfungsrecht hervorgegangen.
Die Befugnis von Gerichten, Rechtsnormen auf ihre Vereinbarkeit
mit höherrangigem Recht zu überprüfen, und die niederrangigen
Normen im Falle der Nicht-Vereinbarkeit für nichtig zu erklären wird als
Normenkontrollkompetenz bezeichnet.
In Deutschland ist die Normenkontrolle von nachkonstitutionellen (d.h.
nach Erlass der jeweiligen Verfassung verabschiedeten), formellen (d.h.
typischerweise vom Parlament verabschiedeten) Gesetzen
grundsätzlich der Verfassungsgerichtsbarkeit vorbehalten
(vgl. Art. 100 Abs. 1 GG). Das jeweilige Verfassungsgericht
(Bundesverfassungsgericht oder Verfassungsgericht des Landes)
überprüft in den Verfahren der abstrakten oder konkreten
Normenkontrolle das Gesetz auf die Verfassungsmäßigkeit. Außerdem
überprüft das Bundesverfassungsgericht (und je nach Landesrecht das
Landesverfassungsgericht) im Rahmen
von Verfassungsbeschwerden auch die Verfassungsmäßigkeit von
Gesetzen, entweder weil das Gesetz als Eingriffsermächtigung inzident
geprüft wird oder weil die Verfassungsbeschwerde direkt gegen ein
belastendes Gesetz (prinzipal) gerichtet ist.(…)
Bei der abstrakten Normenkontrolle vor
dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) kann die Bundesregierung per
Kabinettsbeschluss, eine Landesregierung oder ein Viertel der
Mitglieder des Bundestages einen Antrag gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr.
2 Grundgesetz in Verbindung mit § 13 Nr. 6BVerfGG an das
Bundesverfassungsgericht stellen. Prüfungsgegenstand ist jede
Rechtsnorm mit Außenrechtsgehalt (daher ist keine Überprüfung
von Verwaltungsvorschriften möglich), die mit Ausnahme
von völkerrechtlichen Verträgen bereits verkündet wurde.
Nach § 76 Abs. 1 BVerfGG muss der Antragssteller das angegriffene
Recht für nichtig halten, Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG spricht jedoch von
Zweifeln. Insoweit ist umstritten, ob die im Grundgesetz geforderten
„Zweifel“ dem „für nichtig halten“ vorgehen. (…)
Bei der konkreten Normenkontrolle legt ein erkennendes Gericht gemäß
Art. 100 GG, § 13 Nr. 11 BVerfGG dem Bundesverfassungsgericht ein
Parlamentsgesetz zur Prüfung vor. Voraussetzung ist, dass es im zu
entscheidenden Fall auf die Verfassungsmäßigkeit eines
nachkonstitutionellen Gesetzes ankommt und das erkennende Gericht
von der Unvereinbarkeit des Gesetzes mit der Verfassung überzeugt ist.
Es trifft dann einen Vorlagebeschluss und setzt das Verfahren bis zur
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus. Untergesetzliche
Rechtsnormen kann und muss das Fachgericht, wenn es von ihrer
Verfassungswidrigkeit überzeugt ist, ohne Vorlage selbst unangewendet
lassen.4
In 2010 brachte das Bundessozialgerichts eine Normenkontrolle auf
den Weg, die sich auf die mögliche Verfassungswidrigkeit der
Festsetzung der Regelsätze im SGB II stützte. Mit Erfolg: Unter Vorsitz
des damaligen Präsidenten des BverfG, Hans-Jürgen Papier, wurde ein
Urteil verkündet (Az.: 1 BvL 1/09; 1 BvL 3/09; 1 BvL 4/09). Nach Ansicht
des ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) in
Karlsruhe war die Berechnung der Regelsätze als verfassungswidrig
eingestuft worden. Die Bundesregierung musste daraufhin die
Berechnung neu festsetzen. 5
6.4. Mögliche Klagen vor internationalen Tribunalen
Erfolgversprechende Klagemöglichkeiten vor internationalen Tribunalen
bieten sich vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) sowie vor dem
Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Zwar wurde in
den letzten Tagen von einem angestrebten Verfahren vor dem
Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) berichtet, dieser Versuch dürfte
jedoch untauglich und damit wenig erfolgversprechend sein. Schließlich
ist es die originäre Aufgabe des ISTGH, Verbrechen gegen die
Menschlichkeit (Kriegsverbrechen und ähnliche Gräueltaten) zu ahnden,
von einer derartigen Qualität der Rechtsverstöße im SGB II kann aber
nicht ernsthaft die Rede sein.
6.4.1. Der Europäische Gerichtshof
Der europäische Gerichtshof (EuGH) ist das
oberste rechtsprechende Organ der Europäischen Union (EU). Nach
Art. 19 Abs. 1 Satz 2 EUV sichert er „die Wahrung des Rechts bei der
Auslegung und Anwendung der Verträge“. Zusammen mit dem Gericht
der Europäischen Union und dem Gericht für den öffentlichen Dienst
der Europäischen Union bildet er das Gerichtssystem der Europäischen
Union, das im politischen System der Europäischen Union die Rolle
der Judikative einnimmt. (…)
Für Klagen der Europäischen
Kommission (v. a. Vertragsverletzungsverfahren), Klagen anderer
Organe der Europäischen Union oder der Mitgliedstaaten, die nicht
gegen die Kommission gerichtet sind, sowie für die Entscheidungen im
Vorabentscheidungsverfahren ist der EuGH allein zuständig.
6.4.1.1. Vertragsverletzungsverfahren
Die Europäische Kommission kann einen Mitgliedstaat − nach einem
Vorverfahren − vor dem EuGH verklagen. Der EuGH prüft dann, ob ein
Mitgliedstaat seinen sich aus dem Vertrag über die Arbeitsweise der
Europäischen Union ergebenden Verpflichtungen nicht nachgekommen
ist. Dem EuGH wird eine Klageschrift zugestellt, die teilweise
im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht und dem Beklagten
zugestellt wird. Je nach Fall kommt es zu einer Beweisaufnahme und
einer mündlichen Verhandlung. Im Anschluss daran gibt
der Generalanwalt seine Schlussanträge ab. Darin macht er einen
Urteilsvorschlag, an den der EuGH jedoch nicht gebunden ist.
Gemäß Art. 259 AEU-Vertrag kann auch ein Mitgliedstaat gegen einen
anderen vor dem EuGH (nach einem Vorverfahren durch Einschaltung
der Kommission, Art. 259 Abs. 2 bis 4 AEU-Vertrag) vorgehen.
6.4.1.2. Vorabentscheidungsverfahren
Die nationalen Gerichte können bzw. müssen, soweit es sich um die
letzte Instanz (zum Beispiel Bundesfinanzhof, Bundesgerichtshof)
handelt, dem EuGH Fragen hinsichtlich der Auslegung des Rechts der
Europäischen Union vorlegen. Außerdem können sie überprüfen lassen,
ob ein europäischer Gesetzgebungsakt gültig ist. Dies soll in
besonderem Maße die einheitliche Anwendung des Rechts der
Europäischen Union durch die nationalen Gerichte, die für dessen
Durchsetzung zu sorgen haben, sicherstellen. Das nationale Gericht
muss in seiner Verhandlung auf die Auslegung bzw. Gültigkeit des
Rechts der Europäischen Union angewiesen sein (sie muss
entscheidungserheblich sein und die Auslegung darf nicht bereits
geklärt sein), um eine Frage vorlegen zu dürfen. Es unterbricht dabei
sein Verfahren bis zur Antwort des EuGH. Die vorgelegte Frage wird
zunächst in alle Amtssprachen übersetzt und im Amtsblatt
bekanntgegeben. Dies gibt den beteiligten Parteien, sämtlichen
Mitgliedstaaten und den Organen der Europäischen Union die
Möglichkeit, Stellungnahmen abzugeben. Wiederum folgen i. d. R. eine
mündliche Verhandlung sowie Schlussanträge des Generalanwalts,
bevor es zu einem Urteilsspruch kommt. Das vorlegende Gericht (und
andere Gerichte in ähnlichen Fällen) sind an das Urteil des EuGH
gebunden.
6.4.2. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ist ein auf
Grundlage der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK)
eingerichteter Gerichtshof mit Sitz im französischen Straßburg, der Akte
der Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung in Bezug auf die
Verletzung der Konvention in allen Unterzeichnerstaaten überprüft. Der
EMRK sind alle 47 Mitglieder des Europarats beigetreten. Daher
unterstehen mit Ausnahme von Weißrussland und dem Vatikanstaat
sämtliche international anerkannten europäischen Staaten
einschließlich Russlands, der Türkei, Zyperns und der drei
Kaukasusrepubliken Armenien, Aserbaidschan und Georgien der
Jurisdiktion des EGMR. Jeder kann mit der Behauptung, von einem
dieser Staaten in einem Recht aus der Konvention verletzt worden zu
sein, den EGMR anrufen.(…)
Neben dem Staatenbeschwerdeverfahren und dem Gutachtenverfahren
sieht die EMRK auch ein Individualbeschwerdeverfahren vor. Dieses
Verfahren setzt aber zwingend die sogenannte Rechtswegerschöpfung
voraus, das heißt, es muss zunächst der innerstaatliche Instanzenzug
durchlaufen werden und es dürfen keine Rechtsbehelfe auf nationaler
Ebene verbleiben. In Deutschland fällt darunter auch das Verfahren vor
dem Bundesverfassungsgericht.7
Die Urteile des EGMR sind für die Mitgliedstaaten bindend, sie müssen
zwingend befolgt werden. Aber auch hierzu wäre ein langer Weg durch
die Instanzen zu beschreiten. Ein zu langer Weg, angesichts der täglich
wachsenden Ausgrenzung und Verelendung von Millionen Bürgerinnen
und Bürgern. In der letzten Folgen dieser Serie werden wir deshalb
außergerichtliche Wege erörtern, die die Bundesregierung zu
Kurskorrekturen und damit zur Einhaltung anerkannter Rechtsnormen
animieren könnte.
7. Die Beschwerde bei der Europäischen Kommission
In den letzten Tagen haben wir in dieser Serie die Rechtsverstöße, die
in der Systematik der Agenda 2010 vorsätzlich gewollt und zielgerichtet
durch die Gesetzgebungsorgane (Bundestag, Bundesrat, aber auch
jeder zustimmende Abgeordnete) angelegt sind, aufgezeigt. Wir haben
auch die gerichtlichen Wege erörtert, die diesem Unrechtssystem
entgegen wirken könnten. An dieser Stelle sind die Möglichkeiten
ausgeschöpft, angesichts der aufwendigen und mühseligen Verfahren
könnten wir meinen, mit unserem Latein nun am Ende zu sein. Aber
aufgepasst, es tut sich eine weitere Chance auf, die Bundesregierung
doch noch in ihre Schranken zu verweisen.
Dafür schauen wir erneut nach Europa, genauer gesagt auf den Auftrag
der Europäischen Kommission. Schließlich ist dieses Organ
supranationaler Natur, die EU-Kommission erhebt sich geradezu über
die nationalen Vertretungen der Mitgliedstaaten. „Im politischen System
der EU nimmt sie vor allem Aufgaben der Exekutive wahr und entspricht
damit ungefähr der Regierung in einem nationalstaatlichen System. Sie
hat jedoch auch noch weitere Funktionen, insbesondere besitzt sie das
alleinige Initiativrecht für die EU-Rechtsetzung. Als „Hüterin der
Verträge“ überwacht sie die Einhaltung des Europarechts durch die EUMitgliedstaaten
und kann gegebenenfalls Klage beim Europäischen
Gerichtshof erheben“.1
Alle Unionsbürger können gemeinsam mit anderen direkt die EUKommission
auffordern, ein Gesetz auf europäischer Ebene
vorzuschlagen. Der Vertrag von Lissabon hat die direkte Mitsprache der
Bürger rechtlich verankert. Mit dem Aufforderungsrecht stehen alle
Bürger auf einer Stufe mit dem Rat der Europäischen Union und dem
Europäischen Parlament.2
7.1. Einreichen einer Individualbeschwerde
„Jede Person kann bei der Europäischen Kommission eine Beschwerde
über einen Mitgliedstaat einreichen, um eine Maßnahme (gesetzliche
Regelung, Vorschrift oder Verwaltung) oder eine Praxis, die einem
Mitgliedstaat anzulasten ist, anzuzeigen, wenn diese Person der
Auffassung ist, dass die Maßnahme oder Praxis gegen eine
Bestimmung oder einen Grundsatz des Unionsrechts verstößt“. 3 Jeder
von uns findet hier also eine probate Möglichkeit, sich gegen nationales
Unrecht zu wehren, auf einer höheren, internationalen Ebene.
7.1.2. Das Beschwerdeverfahren
Angerufen werden kann die EU-Kommission mit einem formlosen
Schreiben oder einer Email, im Internet finden sich aber auch
Formblätter, die einen guten Leitfaden für die Beschwerde bieten.4
Nach geltendem Europarecht ist die Kommission nun gezwungen,
einen amtlichen Vorgang zu eröffnen, es wird ein Aktenzeichen
vergeben und eine Akte angelegt. Wer von uns schon Erfahrungen mit
der Bürokratie hat, der wird wissen, dass derartige Akten auch
konsequent gefüllt werden.
Dazu tritt die Kommission in ein Vorermittlungsverfahren ein, das heißt
in unserem Falle, dass die Bundesregierung unter einer kurzen
Fristsetzung aufgefordert wird, zu den eingereichten Vorwürfen Stellung
zu beziehen. Sollten die Stellungnahmen nicht befriedigend, nicht
umfassend und eindeutig sein, wird die Kommission nachhaken, keine
Regierung kann sich nunmehr dem Vorgang entziehen. Sollten sich die
Vorwürfe erhärten, ist die EU-Kommission gezwungen, Klage beim
Europäischen Gerichtshof (EUGH) zu erheben und zwar auf direktem
Wege, ohne Einhaltung der nationalen Instanzenwege. Wertvolle Zeit
wird so gewonnen, Zeit die Menschenleben retten kann. Das gesamte
Beschwerdeverfahren vor der Kommission darf nach geltendem Recht
nicht länger als zwölf Monate dauern, danach muss die Eingabe
entweder zurückgewiesen, oder aber besagte Klage erhoben werden.
7.2. Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EUGH)
Nach Abschluss des nun folgenden Hauptverfahrens wird der EUGH
Recht sprechen, in unserem Falle idealerweise die Bundesregierung
wegen Verstoßes gegen die EU-Verträge verurteilen. Ein solches Urteil
beinhaltet regelmäßig detaillierte Anweisungen zur Korrektur der
beklagten Rechtsnormen. Aus dieser Nummer kommt keine Regierung
mehr heraus, sie muss sich wie jeder ertappte Kriminelle dem Spruch
der Richter beugen. In der Regel wird der EUGH darüber hinaus eine
empfindliche und abschreckende Geldstrafe verhängen.Die dürfte dann
allerdings nicht die verurteilte Ministerin aus eigener Tasche zahlen,
auch dafür wird dann wohl der Steuerzahler bluten müssen. Für die
politischen Straftäter käme ein solches Urteil dennoch einer
Höchststrafe gleich.
7.3. Wesenszüge der Strafe
„Die Strafe ist eine Sanktion gegenüber einem bestimmten Verhalten,
das in der Regel vom Erziehenden oder Vorgesetzten als Unrecht bzw.
als (in der Situation) unangemessen qualifiziert wird. Der Begriff der
Strafe wird insbesondere im Bereich der Rechtswissenschaft, jedoch
auch in der Theologie, Philosophie und vor allem in
den Erziehungswissenschaften abgehandelt. Der Gesetzgeber
beabsichtigt, Personen, die gegen Rechtsnormen verstoßen, zu
bestrafen. In der Regel wird Strafe heute nach
der Vereinigungstheorie mit unterschiedlichen Ansätzen begründet:
mit der Veränderung des zu Bestrafenden zum Besseren
(Spezialprävention)
mit dem Ziel der Abschreckung potentieller anderer
(Generalprävention)
mit dem Ziel des Schutzes anderer (z. B. der sonstigen
Bevölkerung)
mit der Wiederherstellung der Gerechtigkeit (Sühne) und von
Vergeltung (Talionsprinzip)“.5
Strafen im juristischen Sinne dürfen nur durch ein ordentliches Gericht
verhängt werden. Mit einer offensichtlichen Ausnahme: Im Rechtskreis
des SGB II ist es selbst dem kleinsten Sachbearbeiter mit
ausgewiesener Persönlichkeitsstörung „erlaubt“ nach Gutsherrenart
und unkontrollierbarer Willkür zu strafen und Existenzen zu zerstören.
Nein, erlaubt ist das natürlich nicht, nicht in einem funktionierenden
Rechtsstaat, nicht unter sozialen Wesen, die Menschen doch von Natur
aus sind.
7.4. Der Internationale Pranger ist die politische
Höchststrafe
Für gesetzgebende, verantwortliche Politikerinnen und Politiker kennen
wir einen erweiterten Sanktionskatalog, auch außerhalb jeder
Rechtsprechung. Das beginnt mit beharrlichem Ignorieren (der
Höchststrafe für pathologische Narzissten), mit der Verweigerung der
Stimme bei den kommenden Bundestagswahlen, bis hin zur sozialen
Ächtung als Täter gegen die Menschlichkeit und gegen die freiheitlichdemokratische
Grundordnung. Wenn morgen die Massen auf den
Straßen und Plätzen mit dem Finger auf diese Missetäter zeigen,
werden sie sich nicht mehr in das Licht der Öffentlichkeit trauen. Für
eine Regierung, gleich welcher Provenienz und Couleur, gibt es keine
größere Peinlichkeit, als international in die Kritik zu geraten und an den
globalen Pranger gestellt zu werden. Und das zu recht!
7.5. Resümee
Dass war sie nun, meine kleine Serie zu den rechtlichen Möglichkeiten,
die Bundesregierung und die selbsternannten Eliten zum Einlenken zu
bewegen. Ich bin kein Jurist und kann nicht garantieren, dass ich das
Thema vollständig erfasst habe. An dieser Stelle rufe die Vertreter der
Jurisprudenz auf, Ergänzungen und weitere Vorschläge zur
Überwindung des Unrechtssystems einzubringen. Ich werde jedenfalls
in diesen Tagen meine Konsequenzen aus den gewonnenen
Erkenntnissen ziehen und den Weg beschreiten, der mir am
erfolgversprechendsten erscheint.
Es bleibt dabei: Der Druck muss nun wachsen, wir stehen kurz vor einer
alles entscheidenden Bundestagswahl. Keine Abgeordnete, kein
Abgeordneter soll sich bis dahin in Sicherheit wiegen, wieder gewählt
zu werden. Dafür will ich meinen bescheidenen Beitrag leisten. Ich
werde erst Ruhe geben, wenn wir sicher sein können, dass der soziale
Frieden in dieser Republik wieder hergestellt und die Diskriminierung
und die Massenverelendung ernsthaft bekämpft werden. So wahr mir
der Himmel dabei helfe!
Folgen der Agenda 2010
Marco Patriarca
Das SGB II ("Hartz IV") verstoßt laut Norbert Wiersbin gegen nationales & internationales Recht
"In der anhaltenden und an Schärfe zunehmenden Diskussion um die
rechtliche Bewertung des SGB II (Hartz IV) wird ein unabdingbarer
juristischer Grundsatz nicht ausreichend berücksichtigt. Dieser lautet:
Höheres Recht bricht niedrigeres Recht (lex superior derogat legi
inferiori)! Im Rechtskreis des SGB II fi ndet dieser Grundsatz keine
Anwendung, eine Entwicklung, die eindeutig die Prinzipien jeder
Rechtsstaatlichkeit außer Kraft setzt – rechtswidrig, wie sich zeigen
wird, nationales wie internationales Recht eindeutig verletzend. In dem
vorliegenden Exkurs wird der Nachweis geführt, dass niedriges Recht
(das SGB II) schon in seinen Grundzügen sich unerlaubt und ohne
Rechtfertigung gegen höheres Recht stellt und das in einem derart
erschreckenden Ausmaß, dass die Zeit gekommen ist, sich auch auf
gerichtlichem Wege dagegen zur Wehr zu setzen. Dort wo der
Rechtsstaat disponibel wird, systematisch und politisch gewollt, dort ist
die Preisgabe der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bereits
auf den Weg gebracht."
Staat hat sich arm gemacht
Niedersachsens SPD-Sozialministerin Cornelia Rundt scheint sich noch vor wenigen Monaten recht umfassend für Hartz IV-Bezieher stark gemacht zu haben. Sie spricht im angefügten Artikel u.a. von zu niedrigen Regelsätzen und kritisiert sogar das Hartz IV-System insgesamt.
„Für mich ist der jetzige Staat auch ein Staat, der sich zu arm gemacht hat.“ Damit meint sie vermutlich die Steuergeschenke der vergangenen rund 12 Jahre. Wenn dem so ist, stimme ich ihr vollständig zu.
Hartz-IV-Reform gefordert
Ministerin: "Staat hat sich arm gemacht"
Hannover - Während die "Agenda 2010" derzeit überall gelobt wird, gibt es nun auch Kritik aus der SPD. Die Ministerin Cornelia Rundt findet, Deutschland habe sich dadurch erst arm gemacht.
Niedersachsens SPD-Sozialministerin Cornelia Rundt plädiert für eine Reform von Hartz IV. Zehn Jahre nach Präsentation der „Agenda 2010“ durch den damaligen Kanzler Gerhard Schröder (SPD) sieht sie die Sozial- und Arbeitsmarktreformen kritisch. „Die jetzige Umsetzung von Hartz IV mit den zu niedrigen Regelsätzen und dem zu hohen Bürokratieaufwand kann nicht die Lösung aller Probleme sein“, sagte Rundt im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur. Die Schere zwischen Arm und Reich sei größer geworden. Die Hartz-Reformen hätten die Armutsproblematik nicht gelöst.
Besonders bei den Regelsätzen für Kinder hake es, kritisierte die 59-Jährige. „Es ist für ein sehr reiches Land wie Deutschland beschämend, dass das Bundesverfassungsgericht bei den Kinderregelsätzen sagen muss, dass die Verfassung verletzt ist, weil die Würde der Menschen verletzt ist.“
"Der jetzige Staat ist auch ein Staat, der sich zu arm gemacht hat"
Beim Bildungs- und Teilhabepaket, um das Schwarz-Gelb die Hartz-IV-Regelungen ergänzt hatte, sieht die Politikerin Änderungsbedarf. Kernidee ist, dass bedürftige Eltern für ihre Kinder Gutscheine für Musikstunden, den Sportverein oder Nachhilfe beantragen können. „Die Frage ist: Muss es ein Gutschein sein?“ Damit unterstelle man den Eltern, sie würden bar ausgezahltes Geld nicht für ihre Kinder verwenden, sagte Rundt. Das sei eine „äußerst ungute Unterstellung“. Denn es sei klar: „Das sind absolute Einzelfälle.“
Rundt kritisierte außerdem die Benachteiligung Alleinerziehender im Steuerrecht. Um ihnen zu helfen, müsse das Ehegattensplitting in ein Splitting umgewandelt werden, das Kindern zugutekomme. „Es muss darum gehen, die zu entlasten, die Verantwortung für Kinder übernehmen, in welcher Konstellation auch immer.“
Zur Finanzierung meinte die studierte Betriebswirtin: „Für mich ist der jetzige Staat auch ein Staat, der sich zu arm gemacht hat.“ Der Staat müsse dafür sorgen, dass die Reichen nicht immer reicher und die Armen nicht immer ärmer würden.
„Für mich ist der jetzige Staat auch ein Staat, der sich zu arm gemacht hat.“ Damit meint sie vermutlich die Steuergeschenke der vergangenen rund 12 Jahre. Wenn dem so ist, stimme ich ihr vollständig zu.
Hartz-IV-Reform gefordert
Ministerin: "Staat hat sich arm gemacht"
Hannover - Während die "Agenda 2010" derzeit überall gelobt wird, gibt es nun auch Kritik aus der SPD. Die Ministerin Cornelia Rundt findet, Deutschland habe sich dadurch erst arm gemacht.
Niedersachsens SPD-Sozialministerin Cornelia Rundt plädiert für eine Reform von Hartz IV. Zehn Jahre nach Präsentation der „Agenda 2010“ durch den damaligen Kanzler Gerhard Schröder (SPD) sieht sie die Sozial- und Arbeitsmarktreformen kritisch. „Die jetzige Umsetzung von Hartz IV mit den zu niedrigen Regelsätzen und dem zu hohen Bürokratieaufwand kann nicht die Lösung aller Probleme sein“, sagte Rundt im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur. Die Schere zwischen Arm und Reich sei größer geworden. Die Hartz-Reformen hätten die Armutsproblematik nicht gelöst.
Besonders bei den Regelsätzen für Kinder hake es, kritisierte die 59-Jährige. „Es ist für ein sehr reiches Land wie Deutschland beschämend, dass das Bundesverfassungsgericht bei den Kinderregelsätzen sagen muss, dass die Verfassung verletzt ist, weil die Würde der Menschen verletzt ist.“
"Der jetzige Staat ist auch ein Staat, der sich zu arm gemacht hat"
Beim Bildungs- und Teilhabepaket, um das Schwarz-Gelb die Hartz-IV-Regelungen ergänzt hatte, sieht die Politikerin Änderungsbedarf. Kernidee ist, dass bedürftige Eltern für ihre Kinder Gutscheine für Musikstunden, den Sportverein oder Nachhilfe beantragen können. „Die Frage ist: Muss es ein Gutschein sein?“ Damit unterstelle man den Eltern, sie würden bar ausgezahltes Geld nicht für ihre Kinder verwenden, sagte Rundt. Das sei eine „äußerst ungute Unterstellung“. Denn es sei klar: „Das sind absolute Einzelfälle.“
Rundt kritisierte außerdem die Benachteiligung Alleinerziehender im Steuerrecht. Um ihnen zu helfen, müsse das Ehegattensplitting in ein Splitting umgewandelt werden, das Kindern zugutekomme. „Es muss darum gehen, die zu entlasten, die Verantwortung für Kinder übernehmen, in welcher Konstellation auch immer.“
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