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Unzufrieden mit dem Jobcenter

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Beitrag von Admin Mi Jul 03, 2013 3:30 am

Unzufrieden mit dem Jobcenter


Unzufrieden mit dem Jobcenter Hartz111

In Deutschland leben 4,5 Millionen Menschen von Hartz IV. Knapp ein Viertel der Empfänger beziehen die Leistungen bereits seit Einführung der Reformen im Januar 2005. Doch weshalb ist es so schwer aus dem Arbeitslosengeld II herauszukommen und eine neue Anstellung zu finden? In der vergangenen Woche hat stern TV von 30 ehemaligen Hartz IV-Empfängern berichtet - und darüber, wo sie heute stehen: Zwei Drittel von ihnen sind noch immer auf staatliche Hilfen angewiesen.

"Wie lautet Ihre persönliche Hartz IV-Bilanz?" wurden auch die stern TV-Zuschauer anschließend gefragt. Insgesamt 1277 aktuelle und ehemalige Hartz IV-Empfängern beantworteten die achtzehn Fragen der Internetumfrage zum Thema Hartz IV, Jobcenter und Sanktionen. Zwei Drittel von ihnen beziehen zurzeit Arbeitslosengeld II. Das bewegendste Ergebnis: 90 Prozent der Umfrageteilnehmer sind mit ihrem Jobcenter unzufrieden (952) oder teilweise unzufrieden (151). Fast niemand (nur 5,7 Prozent) ist bisher von seinem Jobcenter – wenn auch nur einmal - erfolgreich vermittelt worden. 94,3 Prozent wurden niemals vermittelt.
Sind die Jobcenter überfordert?

Eine Woche lang hat die Redaktion Umfrageteilnehmer besucht, mit ihnen telefoniert und geskypt, um der Frage nachzugehen: Worin genau besteht das Problem bei der Arbeitssuche und der Zusammenarbeit mit den Jobcentern? Eine der Befragten ist Claudia Krämer aus Geretsried bei München. Sie bezog acht Jahre mit ihrer Familie Hartz IV. Neben der Grundsicherung von 800 Euro bekam die Familie Kindergeld sowie Zuschüsse für Miete und Telefon. Die Krämers hatten mit drei Kindern 1300 Euro, um davon alle Lebenskosten zu bezahlen. Damit über die Runden zu kommen, war oft ein Kraftakt. Wie Claudia Krämer halten laut stern TV-Umfrage 81 Prozent der Hartz IV-Empfänger die Sätze für unzureichend. Auch Claudia Krämer wollte stets raus, aus dieser Abhängigkeit. Doch trotz erfolgreicher Umschulung zur Altenpflegerin konnte das Jobcenter sie damals jahrelang nicht vermitteln. Durch ihren Auftritt bei stern TV im Februar 2010 wurde ihr die jetzige Stelle in einem Altenheim angeboten. Zwar musste Claudia Krämer dafür mit ihrer Familie von Thüringen nach Geretsried umziehen. Doch für sie zählt: Nach acht Jahren Hartz IV hat sie endlich einen Vollzeitjob, den sie sich selbst besorgt hat.

Claudia Krämer ist nur eine der knapp 1200 Zuschauer, die gemäß eigenen Angaben vom Jobcenter nicht vermittelt wurden. Auch der 36-jährige René Bartz aus Koblenz hat diese Frage verneint. Der junge Mann kümmerte sich selbst um einen Job. Sein eigentlicher Beruf war Maurer, in dem er lange Zeit gearbeitet hatte. Vor vier Jahren musste er den aus gesundheitlichen Gründen Job aufgeben, sein Knie machte die anstrengende Arbeit nicht mehr mit. Eine Grundsicherung von 323 Euro sowie die anteiligen Kosten für die Miete in Höhe ergaben für ihn 598 Euro im Monat. Monatelang bemühte er sich um eine Arbeitsstelle, schrieb regelmäßig Bewerbungen. Schließlich bekam René Bartz vom Jobcenter einen 1-Euro-Job angeboten – als Maurer. Er nahm die Stelle gezwungenermaßen trotz Knieproblemen an. Fünf Monate lang hielt er durch, dann suchte er mit seiner Frau nach einer Alternative: "Ich wollte eine Umschulung machen. Da wurde mir gesagt, ich sei zu alt – mit damals 33 Jahren!" René Bartz suchte auf eigene Faust weiter und las in der Zeitung von einer freien Stelle bei einem Sicherheitsunternehmen. Er bekam den Job und verdient nun monatlich 1188 Euro. Er ist froh, nicht mehr vom Jobcenter abhängig zu sein.
"Die Personalsituation ist verbesserungswürdig"

Doch ist es wirklich nicht möglich, mit Hilfe der Jobcenter einen passenden, der Qualifikation oder den eigenen Möglichkeiten entsprechenden Job zu finden? Sollte gemäß der Hartz IV-Reformen nicht gerade das die Aufgabe der Jobcenter sein? "Die Idee war, 20 Prozent der Mitarbeiter in den Jobcentern für die Leistungsgewährung einzusetzen. 80 Prozent sollten helfen, Menschen wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren", sagt Heinrich Alt vom Vorstand der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. "Heute sind wir aber erst bei einer Quote von 50:50." Laut Alt sind die Berater mit der Vielzahl an spezifischen Einzelregelungen für die Bedarfsermittlung der Leistungsempfänger überbeschäftigt, etwa wer wann in welchem Umfang Zuschüsse für orthopädische Schuhe oder eine Diät bekomme. Mit all den Einzelregelungen seien die Mitarbeiter in den Jobcentern an der Grenze der Überforderung. "Die betroffenen und zwangsläufig dann auch wir beschäftigen sich zu viel mit dem Thema der komplizierten Leistungsgewährung und zu wenig mit der wichtigen Wiedereingliederung in Arbeit", sagt Alt.
Im ursprünglichen Beruf arbeitet kaum jemand

Die Jobcenter sind also ganz offenbar mit der Vermittlung einer passenden Arbeitsstelle überfordert, wie auch die Umfrageergebnisse bezeugen. Auch Christiane Diederichs, eine Fallmanagerin aus dem Jobcenter Gelsenkirchen bestätigt das: "Die Personalsituation in den Jobcentern ist verbesserungswürdig. Ich habe als Fallmanagerin 100 Leute, aber Kollegen haben 400 bis 500 Leute, die sie betreuen." Viele "Kunden" seien schlecht oder gar nicht qualifiziert, beklagen die Jobcenter, und deshalb schwer vermittelbar. Doch was ist mit den qualifizierten Arbeitskräften, wie beispielsweise Renate Müller? Sie ist Sozialpädagogin, lebt im westlichen Ruhrgebiet. "Das Absurdeste, was ich erlebt habe, war: Ich habe mein Profil beim Jobcenter gelesen und da war ich als Putzhilfe geführt!", berichtet die 32-Jährige. Die Termine beim Jobcenter haben ihr in den zwei Jahren Hartz IV nichts gebracht – außer dem klaren Urteil: "Es ist unvorbereitet, unflexibel und man wird einfach nur abgefertigt. Nach zehn Minuten ist man da wieder raus, fühlt sich einfach nur wieder gedemütigt. Für mich ist ganz klar, dass Jobcenter wird mir niemals einen Vollzeitjob vermitteln können." Auch Michael Neumann ist sich dessen bewusst geworden: Der Berliner hat viele Weiterbildungsmaßnahmen machen müssen, manche sogar mehrmals. "Maßnahmen vom Jobcenter habe ich sehr viele bekommen. Gebracht haben sie mir gar nichts, jedenfalls nichts, was dazu führen könnte, wieder ins Berufsleben zu kommen", sagt Neumann. Vor seiner Arbeitslosigkeit war der alleinerziehende Vater Eisenbahntransportarbeiter, bis ihm 1992 betriebsbedingt gekündigt wurde. Jahrelang lebten er und sein Sohn von 1054 Euro im Monat. Den Gedanken, eine passende Vollzeitstelle zu finden, hat er längst aufgegeben. Schließlich wollte auch er nicht mehr vom Jobcenter abhängig sein. Im November 2012 bewarb er sich bei einem Imbiss und wurde nach der Probearbeit fest angestellt. Für seine 30-Stunden-Woche bekommt er mit weiteren Zuschüssen vom Amt nun 1452 Euro.

Renate Müller wird selbst die Augen offen halten und sich eigenständig um einen Job kümmern müssen, wenn sie in ihrem Sektor etwas Passendes finden will. Doch den wenigsten Langzeitarbeitslosen gelingt das: Beinahe jeder der von stern TV Befragten, die inzwischen nicht mehr auf Leistungen angewiesen sind, arbeiten nicht mehr in ihrem eigentlichen Beruf. Für sie zählte schließlich: Hauptsache irgendwie mehr Geld verdienen - Hauptsache "raus aus Hartz IV".

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