Zehn Jahre Arbeitsmarktreform
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Zehn Jahre Arbeitsmarktreform
Merkel ruht sich auf Hartz IV aus
Die Arbeitsmarktreform hat Gerhard Schröder viel gekostet: das Kanzleramt, den Respekt der Genossen, die Einheit der SPD. Seine Nachfolgerin streicht die Erfolge ein - und lässt die Hände im Schoss.
Es dröhnt noch im Ohr, das Geschrei, das bundesweit ausbrach, als SPD-Kanzler Gerhard Schröder der Republik die Hartz-IV-Reform zumutete. "Rosskur" und "sozialer Kahlschlag" waren die Schlagworte in den eher nachsichtigen Kommentaren, mit denen die Zusammenlegung von Sozial- und Arbeitslosenhilfe bedacht wurde. Es kam damals sogar zu einer Art politischer Volksfront zwischen wütenden Demonstranten und einem Großteil der politischen Klasse. Per Gesetz schickten Schröder und sein Gehilfe namens Franz Müntefering die deutsche Bevölkerung zu großen Teilen in die Armut. So sahen es jedenfalls die Kritiker.
Schröders politischer Preis für Hartz IV und die Agenda 2010, die heute auch von den Regierungsparteien als im Grundsatz richtig bewertet wird, war sehr hoch. Er verlor die Kanzlerschaft sowie die Achtung der eigenen Partei, die ihm "Bestrafung" der Arbeitslosen vorwarf. Bis zur Stunde zögert die Sozialdemokratie, den Umbau des sozialen Netzes einem halbwegs fairen Urteil zu unterziehen. Zugleich nährte der Protest gegen Hartz-IV die Linkspartei, eine Konkurrenz, die der SPD das Leben außerordentlich schwer macht.
Umbau nicht weitergeführt
Es ist ja zutreffend, dass das Hartz-IV-System nach wie vor Schwachstellen hat. Aber die Kritiker von heute verdrängen, dass Schröder schon damals klar gesagt hatte, es müssten unabweisbar weitere Reformen folgen. Man befinde sich zwar auf dem richtigen Weg, stehe aber ganz am Anfang desselben.
Dieser weitere Umbau ist allerdings nie erfolgt. Es gibt keine Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen, denn Schröders Nachfolgerin Angela Merkel lehnte es ab, dafür die Besserverdienenden in die Pflicht zu nehmen. Stattdessen existiert ein enormer Druck auf Geringqualifizierte und sozial Schwache, jedwede Arbeit anzunehmen. Der daraus resultierende Zwang zur bundesweiten Mobilität zerstörte soziale Strukturen und "entvölkerte" die neuen Bundesländer. Kritik an den Kriterien der Zumutbarkeit von Arbeit für Hartz-IV-Empfänger, die vor allem die Gewerkschaften formulieren, findet kein Gehör. Die Sachbearbeiter in den neugeschaffenen Jobcentern beurteilen und steuern ihre "Fälle" oft willkürlich.
Die Gewinnerin: Merkel
Obwohl sie Hartz-IV als "Verrat" empfanden, hielten sich die Gewerkschaften über Jahre hinweg mit Lohnforderungen für die Beschäftigten zurück. Auch das trug maßgeblich dazu bei, die Konjunktur zu stützen und anzukurbeln. Es ist auch ihnen, den Gewerkschaften, zu danken, dass die Bundesrepublik heute im europäischen Vergleich so gut dasteht.
Gewinnerin der "Rosskur" ist eindeutig Angela Merkel. Nur dank Schröders Mut kann sie Deutschland jetzt als mustergültig verkaufen. Und den Ruhm einstreichen, aus dem "kranken Mann", als der die deutsche Ökonomie vor zehn Jahren galt, ein Kraftpaket gemacht zu haben. So tourt sie durch Europa und empfiehlt, es den Deutschen gleichzutun.
Luxusdebatten statt Mut
Aber würde diese Kanzlerin jemals ein politisch derart großes Risiko eingehen wie Schröder? Eine Reform wagen, die sie den Kopf kosten könnte? Sicherlich nicht. Die schwarz-gelbe Koalition leistet sich lieber den Luxus, immer neue Subventionen zu beschließen und sich monatelang über das unsinnige "Betreuungsgeld" zu streiten. Fragen der Steuerreform bleiben liegen, Fragen der Hartz-IV-Fachpolitik sowieso. Merkel hält sich strikt fern von Problemen wie Ich-AGs, Minijobs und Aufstocker-Lösungen.
Es gäbe für Angela Merkel viel zu tun, um den Ruf einer Reformerin zu rechtfertigen. Bis auf weiteres lebt Merkel vom politischen Kredit, den Schröder erwirtschaftet hat. Das ist ja auch viel bequemer.
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