Deutsche Massarbeit zum Hungerlohn
Seite 1 von 1
Deutsche Massarbeit zum Hungerlohn
Ob Amazon, Mercedes oder die Fleischindustrie: Die deutsche Wirtschaft hat Lohnskandale im Wochentakt. Kritiker sprechen bereits von einer neuen Form von Sklaverei.
Billig, flexibel und genügsam müssen die Arbeiter sein: Amazon-Logistikzentrum in Bad Hersfeld
In deutschen Schlachthäusern schuften Leiharbeiter aus Bulgarien und Rumänien zu Hungerlöhnen (drei Euro pro Stunde) unter menschenunwürdigen Bedingungen. Das wurde am Sonntagabend in der Talksendung von Günther Jauch berichtet. Wirklich erstaunt hat das niemanden. Vor kurzem wurden ähnliche Skandale bei Amazon (AMZN 277.69 0.05%) enthüllt. Selbst der renommierte Autohersteller Mercedes lässt seine B-Klasse teilweise von unterbezahlten Leiharbeitern zusammensetzen. Bis zur Jahrtausendwende war Deutschland bekannt für gute Löhne und grosszügige Sozialleistungen. Wird es nun allmählich zum Billiglohnland?
Die Entwicklung begann vor rund 15 Jahren. Die Kosten der Wiedervereinigung drohten aus dem Ruder zu laufen, in den Oststaaten setzten billigere Konkurrenten den Deutschen zu, und China machte sich auf den Weg zur wirtschaftlichen Supermacht – für die Deutschen sah es zu Beginn dieses Jahrhunderts bedrohlich aus. Ausgerechnet die rot-grüne Regierung von Gerhard Schröder verlor die Nerven und peitschte die härteste Reform des Arbeitsmarktes in der Nachkriegszeit durchs Parlament, die Agenda 2010. Sie kürzte nicht nur Sozialleistungen drastisch, sie ermöglichte vor allem neue Formen der Beschäftigung. Eine davon sind die Werksverträge. Sie erlauben es Unternehmen, ganze Arbeitsbereiche auszulagern und an externe Firmen zu vergeben. Diese wiederum offerierten Dumpingpreise, weil sie Leiharbeiter aus dem Osten zu Hungerlöhnen beschäftigen. Damit setzen sie eine Lohn-Verelendungsspirale in Gang.
Schäbige Unterkünfte, überrissene Miete
Am Anfang waren es nur Einzelfälle, doch inzwischen wurde es zur Methode. In deutschen Schlachthäusern sind praktisch nur noch miserabel bezahlte Arbeitskräfte aus dem Osten beschäftigt. Um Kosten zu sparen, karren daher selbst die Belgier und die Dänen ihre Schweine zum Schlachten über die Grenze nach Deutschland. Das Modell wird inzwischen immer häufiger kopiert. Kein Wunder: Die mit Werkverträgen beschäftigten Arbeitnehmer aus dem Osten sind nicht nur billig, sie haben auch keinerlei Rechte, nehmen unregelmässige Arbeitszeiten in Kauf und bezahlen für schäbige Unterkünfte überrissene Mietpreise. Die Zustände auf dem prekären Arbeitsmarkt gleichen heute jenen in Entwicklungsländern. Kritiker sprechen bereits von Sklavenarbeit.
Dank der Agenda 2010 hat die deutsche Wirtschaft ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit wieder erlangt. Mehr noch: Sie ist zur heiligen Kuh geworden. So wie die Schweizer den Verstand ausschalten, wenn das Bankgeheimnis kritisiert wird, werden die Deutschen irrational, wenn ihre Rolle als Exportweltmeister infrage gestellt wird. Sie sind felsenfest davon überzeugt, dass diese allein der Lohn ihres Fleisses ist, und lehnen jede Diskussion an ihrem Modell ab.
Geiz-ist-geil-Mentalität
Doch inzwischen wird die Kritik am deutschen Exportwahn nicht nur lauter, sie wird auch an bisher ungewohnter Stelle geäussert. Auf der in der Regel erzkonservativen Meinungsseite des «Wall Street Journal» wurde Deutschland kürzlich dafür gerügt, dass es Investitionen in die eigene Infrastruktur und die Bildung zugunsten der Exporte jahrelang vernachlässigt hat. «Indem sie sich selbst aushungern, hungern die Deutschen auch ihre Nachbarn aus», stellte das Blatt fest und forderte höhere Löhne für den Mittelstand. Auch der «Economist» hat die deutsche Geiz-ist-geil-Mentalität kürzlich in einer Titelstory aufgegriffen, verbunden mit der Aufforderung, endlich nicht nur Worte, sondern auch Taten für eine wachstumsfördernde Europapolitik zu liefern.
An Deutschland jedoch prallt diese Kritik ab. So wendet sich etwa der einflussreiche Ökonom Hans-Werner Sinn in seinem kürzlich veröffentlichten Pamphlet «Verspielt nicht eure Zukunft!» gegen jede Form von Lohnerhöhung und Mindestlöhnen. Wer solches im Schilde führe, schreibt Sinn, «gefährdet den Niedriglohnsektor, der Deutschland in den letzten Jahren so viel wirtschaftliche Dynamik gebracht hat». Es lebe die Sklaverei!
Billig, flexibel und genügsam müssen die Arbeiter sein: Amazon-Logistikzentrum in Bad Hersfeld
In deutschen Schlachthäusern schuften Leiharbeiter aus Bulgarien und Rumänien zu Hungerlöhnen (drei Euro pro Stunde) unter menschenunwürdigen Bedingungen. Das wurde am Sonntagabend in der Talksendung von Günther Jauch berichtet. Wirklich erstaunt hat das niemanden. Vor kurzem wurden ähnliche Skandale bei Amazon (AMZN 277.69 0.05%) enthüllt. Selbst der renommierte Autohersteller Mercedes lässt seine B-Klasse teilweise von unterbezahlten Leiharbeitern zusammensetzen. Bis zur Jahrtausendwende war Deutschland bekannt für gute Löhne und grosszügige Sozialleistungen. Wird es nun allmählich zum Billiglohnland?
Die Entwicklung begann vor rund 15 Jahren. Die Kosten der Wiedervereinigung drohten aus dem Ruder zu laufen, in den Oststaaten setzten billigere Konkurrenten den Deutschen zu, und China machte sich auf den Weg zur wirtschaftlichen Supermacht – für die Deutschen sah es zu Beginn dieses Jahrhunderts bedrohlich aus. Ausgerechnet die rot-grüne Regierung von Gerhard Schröder verlor die Nerven und peitschte die härteste Reform des Arbeitsmarktes in der Nachkriegszeit durchs Parlament, die Agenda 2010. Sie kürzte nicht nur Sozialleistungen drastisch, sie ermöglichte vor allem neue Formen der Beschäftigung. Eine davon sind die Werksverträge. Sie erlauben es Unternehmen, ganze Arbeitsbereiche auszulagern und an externe Firmen zu vergeben. Diese wiederum offerierten Dumpingpreise, weil sie Leiharbeiter aus dem Osten zu Hungerlöhnen beschäftigen. Damit setzen sie eine Lohn-Verelendungsspirale in Gang.
Schäbige Unterkünfte, überrissene Miete
Am Anfang waren es nur Einzelfälle, doch inzwischen wurde es zur Methode. In deutschen Schlachthäusern sind praktisch nur noch miserabel bezahlte Arbeitskräfte aus dem Osten beschäftigt. Um Kosten zu sparen, karren daher selbst die Belgier und die Dänen ihre Schweine zum Schlachten über die Grenze nach Deutschland. Das Modell wird inzwischen immer häufiger kopiert. Kein Wunder: Die mit Werkverträgen beschäftigten Arbeitnehmer aus dem Osten sind nicht nur billig, sie haben auch keinerlei Rechte, nehmen unregelmässige Arbeitszeiten in Kauf und bezahlen für schäbige Unterkünfte überrissene Mietpreise. Die Zustände auf dem prekären Arbeitsmarkt gleichen heute jenen in Entwicklungsländern. Kritiker sprechen bereits von Sklavenarbeit.
Dank der Agenda 2010 hat die deutsche Wirtschaft ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit wieder erlangt. Mehr noch: Sie ist zur heiligen Kuh geworden. So wie die Schweizer den Verstand ausschalten, wenn das Bankgeheimnis kritisiert wird, werden die Deutschen irrational, wenn ihre Rolle als Exportweltmeister infrage gestellt wird. Sie sind felsenfest davon überzeugt, dass diese allein der Lohn ihres Fleisses ist, und lehnen jede Diskussion an ihrem Modell ab.
Geiz-ist-geil-Mentalität
Doch inzwischen wird die Kritik am deutschen Exportwahn nicht nur lauter, sie wird auch an bisher ungewohnter Stelle geäussert. Auf der in der Regel erzkonservativen Meinungsseite des «Wall Street Journal» wurde Deutschland kürzlich dafür gerügt, dass es Investitionen in die eigene Infrastruktur und die Bildung zugunsten der Exporte jahrelang vernachlässigt hat. «Indem sie sich selbst aushungern, hungern die Deutschen auch ihre Nachbarn aus», stellte das Blatt fest und forderte höhere Löhne für den Mittelstand. Auch der «Economist» hat die deutsche Geiz-ist-geil-Mentalität kürzlich in einer Titelstory aufgegriffen, verbunden mit der Aufforderung, endlich nicht nur Worte, sondern auch Taten für eine wachstumsfördernde Europapolitik zu liefern.
An Deutschland jedoch prallt diese Kritik ab. So wendet sich etwa der einflussreiche Ökonom Hans-Werner Sinn in seinem kürzlich veröffentlichten Pamphlet «Verspielt nicht eure Zukunft!» gegen jede Form von Lohnerhöhung und Mindestlöhnen. Wer solches im Schilde führe, schreibt Sinn, «gefährdet den Niedriglohnsektor, der Deutschland in den letzten Jahren so viel wirtschaftliche Dynamik gebracht hat». Es lebe die Sklaverei!
Ähnliche Themen
» Wie Deutsche über Hartz-IV-Empfänger denken
» Deutsche Konzerne schleusen Milliarden am Fiskus vorbei
» Deutsche Exporte – Größtes Minus seit Ende 2009
» "Sieben Millionen arbeiten zu einem Hungerlohn"
» "Sieben Millionen arbeiten für einen Hungerlohn"
» Deutsche Konzerne schleusen Milliarden am Fiskus vorbei
» Deutsche Exporte – Größtes Minus seit Ende 2009
» "Sieben Millionen arbeiten zu einem Hungerlohn"
» "Sieben Millionen arbeiten für einen Hungerlohn"
Seite 1 von 1
Befugnisse in diesem Forum
Sie können in diesem Forum nicht antworten